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Wirtschaft: China ist die Werkbank, Indien der Schreibtisch

Clement wirbt in Neu-Delhi für Zusammenarbeit

Berlin In Asien setzt die Bundesregierung jetzt neben China auch verstärkt auf den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Indien. Um den Verbindungen neuen Schub zu geben, reist Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) an diesem Sonntag für drei Tage nach Neu-Delhi, begleitet von einer Delegation aus Vertretern von gut 50 deutschen Unternehmen. Clement sagte vor dem Abflug, sowohl beim gemeinsamen Handel als auch bei Investitionen gebe es „ein hohes Ausbaupotenzial“. Hans-Wolfgang Busch, Leiter des Referats Süd- und Südostasien im Wirtschaftsministerium, sagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag: „Bisher ist mit Indien viel zu wenig gelaufen.“ Geplant sei eine Verdoppelung des gemeinsamen Handels innerhalb von fünf Jahren auf etwa zwölf Milliarden Euro.

Ebenso wie China öffnet Indien seit den 90er Jahren seine Wirtschaft immer weiter für den Weltmarkt, nachdem es seine Unternehmen jahrzehntelang weitgehend vor ausländischer Konkurrenz geschützt hatte. Allerdings haben die Inder ihren Standort nicht so aggressiv vermarktet wie die Chinesen und liegen deshalb bei ausländischen Investitionen zurück. Trotzdem wächst auch Indiens Wirtschaft mit atemberaubender Schnelligkeit. In den vergangenen Jahren wurden Raten von vier bis acht Prozent erreicht, 2005 sollen es nach offiziellen Schätzungen mehr als sechs Prozent werden. Allerdings ist die Wirtschaft noch stark schwankungsanfällig, denn sie stützt sich in weiten Teilen auf die Landwirtschaft. Aber auch das ändert sich. Sowohl im Service-Sektor als auch in der Industrie – und dort nicht nur in der Informationstechnik – zeigt Indien ein stabiles und starkes Wachstum.

Auch deutsche Firmen, die bereits vor Ort sind, bauen ihr Geschäft aus. Der Automobilzulieferer Bosch plant zum Beispiel bis 2007 Investitionen in die indische Tochter Mico von 180 Millionen Euro. Schon heute macht Mico 420 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt in Indien 10 000 Menschen. Bei der deutschen Mutter heißt es: „Asien und insbesondere Indien spielen eine bedeutende Rolle für unser weiteres Wachstum.“

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung ist auch die Kaufkraft der rund 1,1 Milliarden Inder gestiegen. „Es gibt heute schon eine kaufkräftige Mittelschicht von 50 bis 150 Millionen Menschen“, sagt Busch vom Wirtschaftsministerium. Das größte Problem für die weitere wirtschaftliche Entwicklung stellt allerdings die Infrastruktur dar. Das sei der indischen Regierung aber auch bewusst. „Sie wissen, dass sie dieses Thema anpacken müssen“, sagt Busch. Auf 500 Milliarden US-Dollar wird der Investitionsbedarf für die nächsten zwölf Jahre geschätzt. „Das geht über die ganze Bandbreite der Infrastruktur – von der Telekommunikation über Straßen bis zu Flughäfen“, sagt der Indienexperte des Ministeriums.

Hier sehen auch deutsche Firmen ihre Chance – etwa bei der Privatisierung von Flughäfen. Eine Sprecherin des Baukonzerns Hochtief sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, der Konzern sei am Flughafen von Bombay, dem heutigen Mumbai, interessiert. Während der Clement- Reise erhoffe man sich „gute Gespräche zur Vorbereitung der Privatisierung“. Den Standort Indien schätzt Hochtief positiv ein. Die Entwicklung dort sei „sehr stabil und verlässlich“, sagte die Sprecherin.

Im Vergleich zu China hat Indien in den Augen von Unternehmern einige Vorzügen. „Indien hat einen klaren Vorteil: Die gebildete Schicht spricht Englisch“, sagt Florian Greiling, Geschäftsführer von Digisound, einem Hamburger High-Tech- Unternehmen mit Werken sowohl in Indien als auch China. „Indien bildet hervorragende Ingenieure aus.“ 350000 junge Ingenieure verlassen jährlich die Universitäten. „China ist die Werkbank, Indien der Schreibtisch“, sagt Greiling. Zwar sei die Infrastruktur in Indien schlechter als in China, aber „die Straßen werden besser, und es wird viel investiert.“

Im Gegensatz zum kommunistischen China hat Indien zudem gewachsene demokratische Strukturen und ein Rechtssystem in britischer Tradition. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind in Indien liberaler als in China“, sagt Dirk Matter, Geschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer. Für einen Investor sei es kein Problem, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen in Indien zu gründen, in China ginge das gar nicht. Zudem gebe es in Indien eine „gewisse Rechtssicherheit“ und eine Kreditvergabe nach ökonomischen Kriterien, nicht nach politischen wie in China. Die Lohnkosten lägen in Indien bei zwischen zehn und 20 Prozent des deutschen Niveaus. „Demokratie ist immer besser“, sagt Matter. Manchmal arbeite sie zwar langsamer, dafür sei sie verlässlicher.

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