zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Chinas Volkskongreß wirft ideologischen Ballast ab

PEKING .Würde in China das Wort des Jahres gekürt, es hieße Stabilität.

PEKING .Würde in China das Wort des Jahres gekürt, es hieße Stabilität.Das wird deutlich, wenn es um die Unterdrückung der politischen Opposition geht, um die Anschubmaßnahmen für die schwächer werdende Konjunktur, aber auch um das Gespenst einer möglichen Abwertung der Landeswährung Renminbi.

Am gestrigen Donnerstag wies der chinesische Zentralbankchef Dai Xianglong in Peking neue Gerüchte über eine mögliche Abwertung der chinesischen Währung zurück."Dieses Jahr werden wir einen stabilen Wechselkurs haben", sagte der oberste Währungshüter auf einer Pressekonferenz anläßlich der Tagung des Volkskongresses.Die Liberalisierung des Finanzsektors in China werde weiter vorangetrieben - entsprechend der Fähigkeit der Zentralbank, auch die Aufsicht auszuüben.

Die große Mehrzahl der Analysten und Finanzprofis schenkt diesen Beteuerungen nicht nur Glauben, sie sieht dafür auch serienweise starke Argumente.Doch die Reihen der Zuversichtlichen beginnen sich zu lichten.Denn der Druck auf Chinas Regierung wird immer stärker.Die Folge: Das Gespenst der Abwertung spukt wieder und die Devisenmärkte in der Region spielen verrückt.

Das wurde auch im Verlauf des diesjährigen Nationalen Volkskongresses überaus deutlich.Fast auf den Tag genau vor einem Jahr war Chinas Wirtschaftszar Zhu Rongji als gefeierter Reformpolitiker zum Ministerpräsidenten gekürt worden.Genau 360 Tage später sagen ihm viele Beobachter nach, sein Reformwerk sei unter der Einwirkung sinkender Wachstumszahlen ins Stocken geraten.

Chinas Kommunisten sind besorgt über das vermeintliche Ende der Boom-Ära, die hohe Arbeitslosigkeit, die schwer auszurottende Korruption sowie den Zustand des Bankensystems, in dem sich faule Kredite in bedrohlicher Höhe auftürmen.

Auf den ersten Blick hat der Volkskongreß sich von beachtlichem ideologischen Ballast befreit.Die Theorie des pragmatischen Wirtschaftsreformers Deng Xiaoping wird in der Verfassung verankert.Privates Unternehmertum erhält nun ebenfalls Verfassungsrang auf gleicher Ebene mit der Staatswirtschaft.Und selbst das Monopol der alles regierenden Partei, so scheint es auf den ersten Blick, wird in Frage gestellt, weil fortan das Gesetz herrschen soll.

Die teilweise revolutionär anmutenden Veränderungen sind Ausdruck eines neuen Pragmatismus in der politischen Führung.Einen echten ideologischen Sinneswandel stellen sie dagegen weniger dar.Die Privatwirtschaft in China, die bereits ein Drittel der Industrieproduktion bestreitet, muß von den immer noch starken Fesseln befreit werden, damit sie möglichst viele entlassene Arbeiter aus den Staatsbetrieben auffangen kann.Und das Gesetz kann solange herrschen, wie es nicht die dominierende Rolle der Partei in Frage stellt.Die Partei läßt die Zügel etwas lockerer, doch wenn die Reformen aus dem Ruder laufen, will sie gegen Bedrohungen des Systems einen Hebel haben.Ähnliches gilt in puncto Arbeitslosigkeit.Die Partei weiß, wie gefährlich dieser Sprengsatz werden kann.

Hier schließt sich der Kreis zu Zhu Rongji und seiner Gefolgschaft.Zhu hat seine politische Zukunft an den Erfolg der Reformen geknüpft.Vielen Parteikadern scheint es dagegen eher darum zu gehen, den Druck von der Kommunistischen Partei zu nehmen, um deren Monopol zu erhalten.

MARKUS GÄRTNER

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false