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Konkurrenzkampf. Mehr als 400 000 Arbeitsplätze hängen am chinesischen Export von Solarprodukten nach Europa.

© dpa

Solarindustrie: Chinesischer Botschafter warnt vor Zöllen

Die EU könnte bald den Import von Solarprodukten aus China mit einem Strafzoll belegen. Kurz vor dem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten in Deutschland droht Botschafter Shi Mingde mit Konsequenzen.

Am gestrigen Sonnabend noch haben die Chinesen die Beziehungen zu Deutschland rein sportlich betrachtet: Chinas neuer Ministerpräsident Li Keqiang landete zum Auftakt seines Antrittsbesuchs in der EU in Berlin und schaute sich am Abend zunächst die Übertragung des rein deutschen Champions-League-Finales im Hotel an, wie es hieß. Am heutigen Sonntag aber wird es ernst. Nach dem Empfang mit allen militärischen Ehren am Nachmittag sollen die bilateralen Gespräche mit der Kanzlerin beginnen. Abends, beim Empfang in Schloss Meseberg, sollen dann auch Industrievertreter dabei sein.

Sie interessiert vor allem, ob die EU und China in letzter Minute eine Lösung im Streit um Subventionen für die Solarindustrie finden. Sonst will die EU-Kommission am 6. Juni nämlich den Import chinesischer Solarprodukte mit einem Strafzoll in Höhe von 47 Prozent des Warenwertes belegen – zunächst für sechs Monate. Begründung: China subventioniert seine Solarfirmen seit Jahren so stark, dass diese mit Dumpingpreisen den EU-Markt ruinieren und heimische Hersteller in den Ruin getrieben haben. Nun fürchten Industrieverband BDI und Außenhandelsverband BGA aber, dass der Strafzoll-Beschluss einen Handelskrieg mit immer neuen Zöllen auslösen könnte.

Shi Mingde, Chinas Botschafter in Deutschland, räumt ein, dass Subventionen fließen – aber auf beiden Seiten. „Die Solarindustrie ist international noch eine sehr junge Branche und wird gleichermaßen von der deutschen wie der chinesischen Regierung unterstützt – weil es unseren beiden Ländern wichtig ist, den Anteil der Erneuerbaren an der gesamten Energieerzeugung zu erhöhen“, sagte er dem Tagesspiegel im Vorfeld des Besuchs seines Regierungschefs. China habe sich das Ziel gesetzt, beim Anteil der Erneuerbaren bis 2020 von heute acht auf dann 15 Prozent zu kommen.

Vor dem Hintergrund sei dieser Streit unnötig. „Einige deutsche Solarfirmen klagen in Brüssel, weil sie selbst unter mangelnder Wettbewerbsfähigkeit leiden. Es ist wahr, die Lohnstückkosten in China sind niedriger. Aber es ist nicht fair, die Schuld für ihre eigene Unfähigkeit auf chinesische Firmen abzuwälzen“, sagt Shi. „Die Firmen, die Klage eingereicht haben, sind die, die nicht mehr konkurrenzfähig sind.“

Der Botschafter lockt deutsche Firmen mit Kooperationen. „Wir sollten unser Augenmerk nicht nur auf den deutschen und chinesischen Markt richten. Weltweit wird der Aufbau von Solaranlagen gefördert. Deshalb sollten Deutschland und China ihre Kräfte bündeln. Das wäre eine Win-win-Situation“, sagt Shi. Er gebe sich aber keinen Illusionen hin. „Es ist davon auszugehen, dass die EU trotz unserer Proteste vorläufige Strafzölle verhängen wird. Wir sind strikt dagegen und haben bereits unsere äußerste Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht. Auch weil die Verhandlungen zwischen den Regierungen und Unternehmen noch laufen und diese Aktion die Atmosphäre dieser Verhandlungen massiv belastet.“

Die EU habe in der Vergangenheit bereits mehrere Anti-Dumping-Verfahren eingeleitet, etwa im Schuhmarkt. Davon seien derzeit etwa ein Prozent des Handelsvolumens betroffen, sagt Shi. „Wenn diese Solar-Geschichte dazukommt, wären vier Prozent des Handels betroffen. Das wäre eine ganz neue Qualität.“ Es gehe um ein Handelsvolumen von 20 Milliarden Euro, um rund 1000 Betriebe in China mit mehr als 400 000 Arbeitsplätzen. In Deutschland stünden im Falle von Zöllen 200 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die EU habe zudem gedroht, Zölle auf den Import von Telekommunikationsprodukten zu prüfen. „Das ist eine sehr gefährliche Tendenz“, sagte Shi.

Der Botschafter glaubt, dass Li bei Merkel mit dem Thema offene Türen einrennen wird. „Die Regierungen in Deutschland und China sind sich einig, dass wir diese Krise durch Gespräche lösen sollten.“ Die Bundesregierung habe eine klare Position in dieser Frage. „Wir hoffen sehr, dass sie in Brüssel ihren Einfluss geltend macht.

Wenn die EU aber auf die Zölle besteht, wird die chinesische Seite natürlich darauf reagieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen“, droht Shi. Auch gegen andere Branchen, wie etwa die Automobilindustrie? „Ich hoffe sehr, dass es nicht so weit kommt. Da ist noch ein Spielraum für Gespräche. Wenn aber unsere Interessen beeinträchtigt werden, werden wir natürlich darauf reagieren.“

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