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Wirtschaft: Chip-Industrie auf dem Weg der Besserung

Es fließt wieder, das Öl des 21. Jahrhunderts.

Es fließt wieder, das Öl des 21. Jahrhunderts. Der Markt für Chips - jenen Kleinst-Bauteilen, die inzwischen von der Kaffeemaschine bis zum Auto überall im Alltag zu finden sind, hat sich stabilisiert. Nachfrage und Preise ziehen leicht an, die gewaltigen Überkapazitäten aus dem letzten Konjunkturhoch seien gesunken, sagt Ingolf Böhler, Halbleiter-Spezialist von Delbrück Asset Management. Die meisten Chip-Aktien haben die guten Aussichten bereits vorweggenommen. Wer den Mut hatte, sich den deutschen Chip-Produzenten Infineon beim Tiefstand von gut zwölf Euro im September ins Depot zu legen, hat den Wert inzwischen mehr als verdoppelt. Auch ST Microelectronics, der größte europäische Chip-Hersteller, und Weltmarktführer Intel haben eine ähnliche Kursrallye hinter sich.

Einen Hinweis darauf, ob solch luftige Höhen gerechtfertigt sind, soll heute am späten Abend das amerikanische Unternehmen National Semiconductor liefern. Die Quartalsbilanz, so hofft beispielsweise UBS Warburg, werde für eine positive Überraschung sorgen und der Branche weiter Vortrieb geben.

"Es bestehen gute Chancen, dass Halbleiter-Firmen zu Gelddruckmaschinen werden könnten", sagt Böhler. Ohne den anstehenden Bereinigungsprozess in der Branche werde die Erholung allerdings in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Denn mit insgesamt zwölf Unternehmen seien "viel zu viele Player im Markt". Die Hoffnungen der Experten konzentrieren sich auf Hynix Semiconductor, den zweitgrößten Hersteller von Speicherchips (DRAM-Chips) nach Samsung. Das koreanische Unternehmen hat einen Schuldenberg von 6,5 Milliarden US-Dollar und hängt am Tropf des Staates. Aktuell laufen Übernahmeverhandlungen mit dem US-Mitbewerber Micron Technologies. Komme es zur Fusion und/oder zu einer Reduzierung von Kapazitäten bei Hynix, dann bedeute dies freie Fahrt für die Branche, sagt Delbrück-Spezialist Böhler.

Fast alle großen Investmenthäuser und Banken sind inzwischen der Ansicht, dass in der extrem zyklischen Branche das Tal durchschritten ist. 1999 haben die meisten Unternehmen aus Angst vor einem Crash beim Jahrtausendwechsel neue Computersysteme gekauft, die im kommenden Jahr abgeschrieben sein werden. "Wir stehen also unmittelbar vor einem neuen, weltweiten Investitionszyklus", sagt Delbrück-Experte Böhler. Und die Deutsche Bank etwa geht davon aus, dass Mitte nächsten Jahres der Turnaround bei der Gesamtkonjunktur geschafft sein werde. Neben den Firmeninvestitionen sollen dann auch die Ausgaben der Verbraucher wieder anziehen. Als einer der ersten Branchen werde der Chipmarkt davon profitieren, denn Halbleiter sind als Grundbausteine in vielen Waren des täglichen Gebrauchs eingebaut.

Auch Umsätze und Preise deuten darauf hin, dass es wieder bergauf geht. Der weltweite Erlös aus dem Chip-Geschäft ist im Oktober wieder leicht auf 10,4 Milliarden Dollar gestiegen, das sind 2,5 Prozent mehr als im September, allerdings 44 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit ist das Geschäft nach einem Jahr Rezession erstmals wieder im schwarzen Bereich. Für 2002 rechnet der internationale Branchenverband "National Semiconductor Association" mit einem Umsatzplus von gut sechs Prozent, 2003 und 2004 sollen es je 21 Prozent sein.

Gleichzeitig sind Chips in den letzten Wochen deutlich teurer geworden. Der Preis für einen 128-Megabyte-Halbleiter, der auf dem Hoch bei etwa 18 Dollar lag und in den letzten Monaten bis auf unter einen Dollar abgestürzt war, hat sich zuletzt bei knapp unter zwei Dollar stabilisiert. Samsung und Hynix gaben gestern bekannt, die Preise würden in Abstimmung mit den Kunden um weitere zehn bis 20 Prozent erhöht. Hauptprofiteur der Entwicklung wird nach Ansicht der Helaba Trust Infineon sein, die im Vergleich zur Konkurrenz unterbewertet ist. Helaba-Analyst Dennis Nacken sieht daher für den deutschen DRAM-Hersteller "überdurchschnittliches Kurspotenzial".

Skeptischer ist die Bankgesellschaft Berlin, die Infineon bereits seit Wochen auf "reduzieren" gesetzt hat. Analyst Michael Anschütz sagt, man rechne mit einer nur schwachen PC-Nachfrage, zudem sei Infineon bei den besonders leistungsfähigen "DDR (Double Data Rate)-Chips" nicht gut platziert. Auf den Kauflisten der Bankgesellschaft steht jedoch neben STMicroelectronics vor allem Samsung, die laut Anschütz gute operative Margen, vergleichsweise niedrige Produktionskosten und eine breite Produktpalette in sich vereine.

Auch Delbrück-Experte Böhler warnt vor Euphorie: Ob die Chip-Industrie demnächst wirklich wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren werde, sei keineswegs eine ausgemachte Sache, zumal erst bei Preisen von im Schnitt etwa sechs Dollar die Produktionskosten abgegolten seien. Momentan arbeite demnach kein einziger Hersteller weltweit kostendeckend.

Veronika Csizi

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