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Wirtschaft: Cockpit statt Führerstand

Die Traumberufe ändern sich. Doch die Muster und Wünsche dahinter bleiben gleich

Ginge es danach, welchen Beruf Jungen und Mädchen später einmal ausüben wollen, sieht es für die Zukunft der Bahn eher ungünstig aus. Obwohl Lokführer fehlen und diese auch deshalb jetzt für üppige Gehaltszuwächse kämpfen, träumen immer weniger Kinder von einer Karriere im Führerstand. Schon seit einer Weile ist der Lokführer bei den Jungen aus den Top Ten der Wunschjobs herausgefallen. Kaum einen zieht es noch zur Eisenbahn – auch, weil sie weniger wichtig sei in einer von Auto und Flugzeug dominierten Umgebung, sagen Experten.

Doch auch wenn der Lokführer als Traumjob ausgedient hat – das damit verbundene Grundmotiv für einen Berufswunsch bleibt erhalten. Und zwar „der Wunsch, sich in Gedanken aus der Realität in eine andere Welt zu versetzen“, wie es der Wissenschaftler Jürgen Meixner in einem Beitrag für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) formuliert. Das Spielen sei dabei das zentrale Motiv. Und so führt heute der Pilot viele Ranglisten der Traumberufe bei den Jungen an. Ebenfalls oben dabei ist der Polizist, der wie der Rennfahrer für Abenteuer steht.

Auch die Mädchen haben heute andere Traumberufe als noch vor einigen Jahrzehnten, doch die Motive bleiben ähnlich. „Kindlicher Idealismus und Hilfsbereitschaft“, meint Meixner, seien bei Mädchen ausgeprägter. Sie wünschten sich überwiegend eine Karriere als Erzieherin, Tierärztin oder Krankenschwester. Wobei heute der Arztberuf im Vergleich zur Pflege für Mädchen wichtiger wird.

Dennoch wählen Jungen und Mädchen ihren Traumberuf auch heute noch nach althergebrachten Rollenklischees. Ihre Wünsche „speisen sich aus stereotypen Vorstellungen darüber, was sich ,richtige‘ Jungen oder ,richtige‘ Mädchen zutrauen sollten und wo sie sich einmal als erwachsene Frauen und Männer bewähren sollten“, sagt Martina Gille, Forscherin am Deutschen Jugendinstitut in München. Jungs neigen zu den technisch-materiellen Jobs, Mädchen zu den menschelnden Berufen. „An diesem typischen Muster verändert sich auch über die Jahre wenig“, sagt Gille. Familie, Schule und Medien würden den Kindern weiterhin die klassische Rollenverteilung vorleben und vorspielen. „Schon bei den zwölfjährigen Jungen zeigt sich anders als bei Mädchen eindeutig, dass ihnen bei ihrem Traumberuf Kriterien wie Einkommen, Führung und Macht wichtig sind.“

Realistischer als früher sind die Vorstellungen der Kinder bis etwa 14 Jahren von der Berufswelt offenbar nicht. „Die Berufswünsche entwickeln sich in mehreren Phasen“, sagt Arbeitsmarktforscher Hans Dietrich vom IAB. Sobald den Jugendlichen klar wird, dass sie mit ihrem Job auch Geld verdienen müssen, folgt oft die Ernüchterung. „Der Kontrast, der sich zwischen den Traumberufen und der Realität der Berufswelt auftut, macht verständlich, dass die Berufswahl für junge Leute überwiegend mit schlechten Gefühlen verbunden ist“, erklärt Meixner.

Und tatsächlich gehen Jugendliche bei der Berufswahl alles andere als rational vor. „Sie meiden Berufe, die nicht modern klingen“, sagt Andreas Pieper vom Institut für Berufsbildung. Zugunsten von Medienberufen beispielsweise scheiden Schornsteinfeger und Bäcker dann oft aus – auch wenn sie gute Chancen versprechen und Ausbildungsplätze verfügbar sind. Nicht viel anders verhält es sich mit dem alten Traumjob des Lokomotivführers. Nils-Viktor Sorge

Nils-Viktor Sorge

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