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Wirtschaft: Computer lernen lesen

Microsoft hat eine neue Software für Taschen-PCs entwickelt. Der Notizblock kann bald zu Hause bleiben.

Fast zehn Jahre sind vergangen, seit der damalige Compaq-Manager Ted Clark die Werbetrommel für den ersten Taschen-Computer seines Unternehmens rührte, den Compaq-Concerto. Das Gerät fiel damals bei den Kunden durch – nicht einmal zwei Millionen der Mini-Computer wurden verkauft. „Der Concerto war seiner Zeit voraus“, sagt Clark, heute Vizepräsident beim Hersteller Hewlett-Packard (HP), der Compaq zu Beginn des Jahres übernommen hat.

Clark, der bei HP die Entwicklung von Taschen-Computern leitet, glaubt ebenso wie seine Kollegen in anderen Unternehmen, dass die Zeit der tragbaren Geräte jetzt gekommen ist. In der vergangenen Woche gaben Computerhersteller wie HP, Fujitsu, Motion Computing und Toshiba zusammen mit dem Software-Produzenten Microsoft in einem New Yorker Broadway-Theater die Premiere für das neue Geräteformat: den Tablet-PC.

Gleich sieben Modelle des tafelförmigen Rechners haben die Hersteller enthüllt. Die Geräte entsprechen im wesentlichen hochgerüsteten Laptops und zielen auf Großkonzerne und vielreisende Manager. Als Betriebssystem läuft Windows XP von Microsoft. Per Hand lassen sich Notizen auf den Schirm schreiben, und einige Modelle haben eine eingebaute Tastatur, die ausgeklappt und gedreht werden kann. Microsoft hat sich bei der Werbung für die Geräte besonders eingesetzt, nachdem sich Bill Gates dem Projekt vor zwei Jahren persönlich verschrieben hat und die Tablet-PCs vor allem auch zu einem Microsoft-Erfolg machen will.

Für die Hardware-Partner von Microsoft steht noch mehr auf dem Spiel: Infolge der wirtschaftlichen Abkühlung gehen bei ihnen seit einigen Jahren die Verkäufe zurück, so dass man nach neuen Hoffnungsträgern auf dem PC-Markt sucht. Große Erwartungen lasten jetzt auf dem Tablet-PC, der nach Aussagen der Unternehmen größere Gewinnspannen als herkömmliche Desktop-Computer generieren kann.

„Der Tablet-Personalcomputer wird ohne Zweifel ein Katalysator beim Umsatz sein“, sagt Tom Bernhard, Direktor bei Fujitsu, wo man schon seit Jahren eine eigene Reihe von Taschencomputern anbietet. Den Tablet-PC nennt Bernhard die „wichtigste Entwicklung auf dem Kleincomputer-Markt, die Fujitsu durchgemacht hat“. Er ist zuversichtlich, dass sein Unternehmen die Verkäufe in dem Bereich in den nächsten Jahren wenigstens verdreifachen wird.

Trotz solcher Hoffnungen wird es der Tablet-PC schwer haben. Laut dem Markforschungsunternehmen International Data werden von ähnlichen Mini-Rechnern in den USA derzeit nur etwa 200000 Stück im Jahr verkauft. Und seit 2000 ging der Markt für Taschen-Computer jährlich um sieben Prozent zurück. Zudem werden die mit Sparzwängen ringenden Großunternehmen leicht vor den Anschaffungskosten für die neuen Geräte zurückschrecken: Der Einstieg beginnt bei fast 2000 Euro, während das durchschnittliche Notebook schon für 1600 Euro zu haben ist. Auch Microsoft ist eher zurückhaltend und geht für das nächste Jahr von höchstens 500000 Verkäufen der Tablet-Software aus. „Die Leute werden sich bestimmt nicht auf die neuen Tablets stürzen und dafür ihre gerade angeschafften Notebooks auf den Müll werfen“, sagt Alex Loeb, der Microsofts Tablet-Projekt vorsteht. Doch auf längere Sicht könnten sich mehr und mehr Unternehmen beim Austausch alter Notebooks für die Tablet-Variante entscheiden, da sie für einen moderaten Aufpreis mit völlig neuen Anwendungen lockt, so Loeb. Bill Gates nannte den Tablet-PC vor kurzem ein „Gerät ohne Kompromisse“, bei dem die Kunden auf keine der üblichen Laptop-Funktionen verzichten müssten und neue Anwendungen wie die Handschrift-Erkennung die Produktivität sogar noch erhöhen.

Wenn sich überhaupt bald ein Erfolg für die Geräte einstellen sollte, dann am ehesten in Asien. Bislang ist es problematisch, die Schriftzeichen asiatischer Sprachen über die traditionelle Tastatur einzugeben. Der Tablet-PC mit seiner Handschrift-Erkennung erleichtert dies für die asiatischen Anwender. Laut Microsoft sind vier der sieben vom Tablet-PC verstandenen Eingabe-Sprachen asiatisch. Harry Shum, der im Microsoft-Team in Peking an der Verbesserung der Schrift-Erkennung arbeitete, dachte sofort an seinen Vater, der trotz Universitätsausbildung keinen Computer benutzen kann, weil er das lateinische Alphabet nicht beherrscht.

Doch die Hersteller haben weit mehr als nur Asien im Auge. Auf ihrer verzweifelten Suche nach Interessenten haben sie viel getan, um den Kunden die Geräte schmackhaft zu machen und die Mundpropaganda in Gang zu bringen. Bereits im Mai verschenkte Microsoft auf der Tagung in Seattle mehr als einhundert Geräte an die anwesenden Top-Manager. Auch HP hat seit Beginn des Tablet-Engagements vor zwei Jahren mehr als 120 Testgeräte vergeben, unter anderem an das New Yorker Architekturbüro Skidmore, Owing& Merril. Henry King, Informationschef bei Skidmore, sagt, dass 20 bis 30 der eintausend Angestellten den Tablet-PC getestet haben. Es gab überwiegend gute Erfahrungen mit dem Gerät, vor allem, weil es nützlich für das Anfertigen von Architektur-Zeichnungen ist. Zunächst werde man nur etwa 25 Geräte ordern, später aber sicher nachbestellen.

Inzwischen bereitet sich HP auf den öffentlichen Werbe-Auftritt für den neuen Tablet-PC vor, der mit einer großen Anzeigen-Kampagne Mitte des Monats anrollen wird. Doch was, wenn wieder alles schief geht und der Tablet zum zweiten Concerto wird? „Dann müssen wir wohl wieder zurück ans Reißbrett“, sagt Vizepräsident Clark.

Pui-Wing Tam[Gabriel Kahn], Rebecca Buckman

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