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Computerspiel-Branche: Digitale Bauklötzchen

Revolution in der Computerspiel-Industrie: Immer mehr Menschen wollen selber kreativ werden. Wie sich die Berliner Firma Infernum darauf einstellt

Berlin - Ein steingrauer Drachenkopf hängt an der Wand, groß wie der einer Dogge, darunter farbige Zeichnungen von noch fantastischeren Wesen. Unter den leblosen Echsenaugen klackern die Tastaturen und klicken die Mäuse. In der Uhlandstraße entwickelt die Start-up-AG Infernum Computerspiele. Drei Dutzend Mittzwanziger erschaffen hier an ihren Bildschirmen ganze Welten.

Die Spielebranche wächst. Mit einem Umsatz von 1,86 Milliarden Euro habe sie die Musik- sowie die Filmindustrie in Deutschland im Jahr 2010 längst überholt, teilt der Branchenverband Game mit. Berlin ist dabei einer der wichtigsten Standorte. Rund 130 Spielefirmen sind der Fördereinrichtung Medienboard zufolge hier vertreten.

„Der Markt wandelt sich gerade total“, sagt Andreas Weidenhaupt, Gründer und Vorstandschef der jungen Aktiengesellschaft. „Heutzutage wollen die Menschen selbst kreativ sein.“ Erfolge wie Minecraft seien eine klare Ansage an die etablierte Spieleindustrie. Dabei können die Spieler im Internet aus vorgegebenen Bauklötzchen alleine oder gemeinsam riesige Welten bauen und sich in diesen treffen. Der Schwede Markus Persson hat das Spiel programmiert, das mittlerweile mehr als 24 Millionen Spieler anzieht.

An diesen Erfolg möchte Infernum andocken. Derzeit entwickeln sie gemeinsam mit dem südkoreanischen Partner Exe Games ein Spiel namens Brick Force, bei dem sich die Teilnehmer ebenfalls im Lego-Prinzip Welten zimmern. Zusätzlich können sie sich dann darin bekämpfen. Es soll kostenlos im Browser spielbar sein. Umsatz will Weidenhaupt mit speziellen Waffen oder Rüstungen machen, die die Spieler kaufen können. Ende März soll eine offene Testversion online gehen.

„Wir stellen jeden Monat zwei, drei neue Mitarbeiter ein“, sagt Andreas Weidenhaupt. 40 Menschen beschäftigten sie derzeit. Fast so viele colaflaschenhohe Drachen und andere Fantasy-Kreaturen stehen auch in der Glasvitrine in Weidenhaupts Büro, das er sich mit seinen Vorstandskollegen Markus Melching und Tobias Gerlinger teilt.

Infernum ist bereits das vierte Start-up des 43-Jährigen. Modejournalist wollte er eigentlich werden, sein schillernder Schal erinnert noch ein wenig daran. Nach zwei Semestern Kommunikationswissenschaften machte er jedoch eine Ausbildung bei Peek und Cloppenburg in Düsseldorf und gründete anschließend Together, eine kleine Werbeagentur.

Damals, in Düsseldorf, habe er begonnen, in seiner Freizeit im Internet zu spielen. Anfang 2004 erstellte er dann die damals noch private Fan-Homepage mit dem Namen Onlinewelten für ein Spiel aus Südkorea. Immer mehr Fans besuchten die Seite, woraufhin die koreanische Spielefirma Weidenhaupt kontaktierte. So entstand nach Together sein zweites Unternehmen. Ein gutes Jahr später war er Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Firma Frogster. Das Berliner Unternehmen kauft Lizenzen von vorzugsweise asiatischen Spiele, passt sie sprachlich und kulturell an den westlichen Markt an und vertreibt sie dann. Fünf Jahre lang wuchs Frogster, eröffnete Büros in Seoul und San Francisco, hatte mehr als 200 Mitarbeiter und ging sogar an die Börse. 2010 machte die Firma einen Umsatz von rund 23 Millionen Euro. Doch im Mai 2011 schluckte die Karlsruher Gameforge den kleineren Konkurrenten. Für Weidenhaupt war klar, dass er kein Angestellter sein wollte, sondern Chef. Deshalb verließ er die Firma und gründete mit seinem seit Jahren vertrauten Kernteam ein paar Tage nach der Übernahme Infernum.

Finanziert wird das Start-up momentan noch privat, von Weidenhaupt, seinen Vorstandskollegen sowie einem weiteren privaten Investor, den Weidenhaupt nicht nennen möchte, genauso wenig wie die Höhe des Eigenkapitals von Infernum. Sie suchen noch Kapitalgeber, wollen die Kontrolle aber auf keinen Fall aufgeben. Aus den roten Zahlen will Weidenhaupt bald heraus. „Der Break-even ist für dieses Jahr geplant.“ Für die Spieleindustrie sieht er eine goldene Zukunft. „Viele haben noch gar nicht erkannt, wie groß die Chancen da gerade sind.“

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