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Wirtschaft: Daimler-Chrysler: Gelbe Karte für Schrempp

So richtig überzeugend klang das nicht, und überzeugt waren offenkundig auch nicht die Aktionäre. "Die Arbeit macht Freude, es ist faszinierend, ein Teil dieses Teams zu sein", sagte Jürgen Schrempp am Mittwoch auf der Hauptversammlung des Konzerns im Berliner ICC.

So richtig überzeugend klang das nicht, und überzeugt waren offenkundig auch nicht die Aktionäre. "Die Arbeit macht Freude, es ist faszinierend, ein Teil dieses Teams zu sein", sagte Jürgen Schrempp am Mittwoch auf der Hauptversammlung des Konzerns im Berliner ICC. Ob dem Teamleiter von 416 000 Daimler-Chrysler-Mitarbeitern in aller Welt dieser Mittwoch viel Freude gemacht hat, darf bezweifelt werden. Die Furchen im schmalen Gesicht sind noch ausgeprägter als sonst, die Augenringe tief; Schrempp sieht aus, als wäre er gerade eben aus Tokio und Detroit zurückgekehrt. In seiner gut einstündigen Rede gibt er den gut 10 000 anwesenden Aktionären Rechenschaft, erklärt die Krise bei Chrysler und Mitsubishi und verteidigt seine Strategie zur Welt AG. Doch Schrempp klingt verzagt, schlägt bemerkenswert leise Töne an. Nichts zu merken vom Rambo-Image.

Typisch ist das Ende des Vortrags: Fast demütig verspricht er den Aktionären, die Herausforderungen zu meistern. "Dazu steht das gesamte Vorstandsteam und dazu stehe ich", flüstert der Chef ins Mikro. Kampfgeist hört sich anders an. Mit einem schlappen Applaus quittieren die Aktionäre die Rede. Ihr Unternehmen macht in diesem Jahr Verlust; für 2000 bekommen sie zwar eine dicke Dividende von 2,35 Euro je Aktie, aber der Kurs ist seit langem erbärmlich.

Vor allem wegen Chrysler. Ein Vertreter der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz wirft dem Vorstand "Salamitaktik" bei der Information über das "Chrysler-Desaster" vor, nun sei die Glaubwürdigkeit der Führung erschüttert, die Schutzvereinigung werde weder Vorstand noch Aufsichtsrat die Entlastung erteilen. Starken Beifall gibt es für starke Worte in Richtung Vorstand: "Entweder gibt es bald andere Zahlen oder andere Köpfe." Da lächelt Schrempp und nickt ein wenig verständnisvoll.

"Aufsichtsrat besteht aus Versagern"

Er ist der Protagonist des Shareholder-Value, mit "Speed, Speed, Speed" hat Schrempp Daimler-Benz und Chrysler zusammengeführt, um "Profit, Profit, Profit" zu machen. Daran muss er sich messen lassen. Wenn die Chrysler-Sanierung nicht bis Ende 2002 klappt, ist Schrempp als Konzernchef gescheitert. Doch bis dahin soll er Zeit haben, da sind sich die Aktionäre erstaunlich einig. Die Ohren werden dem Konzernchef verbal trotzdem langgezogen: "Sie bekommen heute die Gelbe Karte, wenn die Zahlen in einem Jahr nicht besser sind, brauchen wir eine härtere Farbe". Vorstandskritiker und BWL-Professor Eckard Wenger ("Der Aufsichtsrat besteht aus Versagern") bekommt reichlich Applaus für seine mit bebender Stimme vorgetragenen Angriffe. Doch alles in allem gehen die Aktionäre friedlich mit dem Vorstand um.

Vielleicht hatte der Vorstandsvorsitzende mit den für seine Verhältnisse erstaunlich leisen Tönen die Stimmung der Aktionäre getroffen. Vielleicht haben auch die jüngsten Kursgewinne die Gemüter ein wenig beruhigt, Schrempp selbst spricht von "einer gewissen Stabilität des Aktienkurses". Mehr sagt Schrempp nicht zum Geschehen an den Börsen. Ausführlicher widmet er sich der Konzernstrategie: Nur ein globales Unternehmen könne die weltweiten Wachstumspotenziale ausschöpfen, deshalb brauche der Konzern Chrysler und Mitsubishi. Im Übrigen habe Chrysler von der Fusion 1998 bis Mitte 2000 einen Gewinn von 13 Milliarden Euro erwirtschaftet, da könne man wohl auch mal ein paar Jahre lang ein paar Milliarden Verlust machen, meint Schrempp. "Hätten wir uns immer von Aktivitäten getrennt, die in der Verlustzone steckten, dann gebe es uns heute nicht mehr."

Vielleicht habe sich Schrempp übernommen, meint ein Aktionär. Zu schnell seien nach der Fusion mit Chrysler weitere Baustellen aufgemacht worden, nicht nur Mitsubishi, sondern auch die Beteiligung an der koreanischen Hyuandai, Übernahmen von Lkw- und Motorenherstellern in Nordamerika, der Absatzeinbruch bei der US-Lastwagentochter Freightliner. Doch Zweifel sind nicht angebracht. Schrempp sieht sich auf sicherem Wege zum weltweit führenden Fahrzeughersteller. Der integrierte Technologiekonzern ist Geschichte. Und die meisten Aktionäre finden das gut.

Mit Vollgas auf die Weltmärkte

Die Tristesse wird zur Kenntnis genommen: der Verlust im Konzern von knapp einer Milliarde Euro im ersten Quartal 2001, die drei Milliarden Euro, die für "Restrukturierungen" bei Chrysler ausgegeben wurden. Schrempp teilt am Mittwoch wie erwartet mit, dass der Konzern 3,3 Prozent der Anteile an Mitsubishi von Volvo für knapp 300 Millionen Dollar übernommen hat; damit hält Daimler-Chrysler jetzt 37,3 Prozent an Mitsubishi Motors und die Option auf die komplette Übernahme. Der hochverschuldete Autohersteller soll in zwei Jahren eine Umsatzrendite von 4,5 Prozent erreichen - trotz der Krise der japanischen Wirtschaft. Schrempp ist also unbeirrt mit voller Fahrt auf die Weltmärkte unterwegs. Doch nach Ansicht seiner schärfsten Kritiker verbrät er dabei Milliarden. Vorgänger Edzard Reuter habe in seiner Amtszeit den Börsenwert des Unternehmens um 28 Milliarden Mark reduziert. Schrempp habe bislang etwa das Doppelte versenkt. ALFONS FRESE

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