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Wirtschaft: Das Auto als Kunstwerk

Mit Martin Winterkorn wird ein Technikfreak und treuer Begleiter von Ferdinand Piëch VW-Chef

Berlin - Über die erforderliche Qualifikation seines Nachfolgers hat Ferdinand Piëch einmal gesagt: „Er muss besser sein als ich.“ Das war vor fünf Jahren, und Piëch hatte sich gerade für Bernd Pischetsrieder als neuen VW-Chef entschieden. Seit der vergangenen Woche wissen wir, dass das nicht gut ging. Es konnte auch nicht gut gehen, weil es keinen besseren gibt als den Porsche-Enkel Piëch. Das meint jedenfalls der nächste VW-Chef, Martin Winterkorn. „Was Produkte und Technik betrifft, ist Ferdinand Piëch für mich die Größe im Automobilgeschäft“, sagte Winterkorn vor gut einem Jahr dem Tagesspiegel. Er nennt Piëch sogar als sein berufliches Vorbild.

Damit sind die Voraussetzungen gut, dass der nächste Vorstandsvorsitzende (Winterkorn) mit dem aktuellen Aufsichtsratschef (Piëch) zum Wohle von Volkswagen harmoniert. Mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ hat Winterkorn in den vergangenen Jahren Audi tatsächlich nach vorn gebracht. Allerdings nicht er allein: 2006 ist für die Marke mit den Ringen schon das elfte Rekordjahr in Folge, Winterkorn ist aber erst seit viereinhalb Jahren Audi-Chef. Seine Leistung soll das nicht schmälern.

Der Manager hat dem Unternehmen so viel Schwung und sich selbst so viel Power verpasst, dass er bis 2015 die Marktführer im Premiumsegment, Mercedes-Benz und BMW, überholen will. Schon bis 2010 sind zehn neue Audi-Modelle angekündigt, darunter ein kleiner Geländewagen, ein Coupé und ein Kleinwagen. „Wir bei Audi stehen für Zuverlässigkeit, sportliche Autos und tolles Design“, sagt der promovierte Metallexperte, der „jede Schraube bei unseren Autos kennt“.

Lust und Leidenschaft am Automobil verbindet Winterkorn mit seinem Freund und Förderer Piëch. Nicht nur für Radfahrer hört es sich etwas abgedreht an, wenn Winterkorn das Auto mit einem „Kunstwerk“ vergleicht.

Es waren vor allem Piëch und Winterkorn, die Audi binnen 20 Jahren zu einem ernsthaften BMW-Gegner gemacht haben. Zum Beispiel mit Innovationen wie Allradantrieb und vollverzinkter Karosserie. Wobei Piëch als purer Konstrukteur glänzte, während Winterkorn auch den Aufwand für die Umsetzung der Ideen des zehn Jahre Älteren im Blick behielt. Piëch selbst schreibt in seinen Memoiren „Auto. Biographie“, wenn er sich in technischen Spielereien zu verlieren drohte, habe ihn der Gefährte Winterkorn „auf den Tugendweg der Kostenrechnung gebracht“. Und wohl nur für Winterkorn hat der kauzige Piëch ein derartiges Lob übrig: „Im Wechselspiel von Qualität und Kosten erzielt er die tollsten Ergebnisse.“

Winterkorn ist Schwabe. Rostbraten, dazu Lemberger Wein und hinterher eine Zigarre und der Mann ist zufrieden. Auch ein gutes Spiel von Bayern München macht ihn glücklich. Audi sponsort die Bayern und der Audi-Chef, der auch in seiner Wolfsburger Zeit mit Frau und 14-jährigem Sohn den Hauptwohnsitz in Ingolstadt behielt, verpasst kaum ein Spiel in München. Winterkorn ist bodenständig und ein bisschen bieder, macht aber trotzdem in der Glitzerwelt des automobilen Business eine gute Figur. Weil ihm in Sachen Technik keiner etwas vormacht. Aber Audi mit 45 000 Mitarbeitern zu führen ist das eine, den Volkswagen-Konzern insgesamt mit 340 000 das andere.

Die Arbeitnehmer glauben an den neuen Boss. „Herr Winterkorn gilt als Top-Manager, der mit einem Team arbeiten kann“, heißt es im Konzernbetriebsrat von VW, wo man sich sogleich um Augenhöhe mit dem Fußballfan bemüht. „Seine Audi Elf hat er als Trainer zu Höchstleistungen motiviert und bis an die Spitze der Tabelle geführt.“ Der Audi-Betriebsrat sagt über den ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden, er sei „ein Partner, der weiß, wo er hin will“. Das Verhältnis zu ihm sei „kritisch, aber kompromissorientiert“. Gelegentliche cholerische Ausfälle räumt Winterkorn ein („Ich bin manchmal zu aufbrausend“), findet dafür aber Verständnis bei der IG Metall. „Als Vorstandsvorsitzender muss man mal aus der Hose springen“, sagt ein führender Gewerkschafter.

Hauptsache, er packt an. An seinem ersten Arbeitstag als Audi-Chef, also am 1. März 2002, habe er die Entscheidung zum Bau des Geländewagens Q7 getroffen, erzählt Winterkorn. Audi hatte den Trend zu Großraumwagen, mit denen Mercedes (M-Klasse) und BMW (X5) seit Jahren viel Geld verdienen, verschlafen und machte sich nun ans Aufholen. Anpacken und vor allem Entscheiden – das wird von Winterkorn auch bei VW erwartet. Pischetsrieder hatte sich am Ende zu Tode taktiert und gezaudert. Dieses „zähe Gekaue“ auf den drängendsten Themen, sagt ein Insider, habe den gesamten Konzern gelähmt.

Die Aufgaben sind klar: Die enormen Verluste von VW in den USA reduzieren, die Position in China stabilisieren, mit zusätzlichen Autos die derzeit zu großen Kapazitäten in Europa auslasten, die Abläufe in den Fabriken effizienter machen und überhaupt die Strukturen im Konzern so verändern, dass Entscheidungen möglich sind.

Immer die richtigen Entscheidungen haben auch die Kumpels Piëch und Winterkorn während ihrer gemeinsamen Zeit in Wolfsburg nicht getroffen. Der von ihnen entwickelte Phaeton, für den extra die gläserne Fabrik in Dresden gebaut wurde, ist ein Ladenhüter. Und das Brot-und-Butter-Auto Golf wurde von den Technikfreaks so überfrachtet, dass er kaum profitabel zu bauen ist.

In der Branche wird nun vor allem mit Spannung erwartet, wie sich Winterkorn und VW-Markenchef Wolfgang Bernhard schlagen. Pischetsrieder hatte Bernhard zur Sanierung geholt, doch der forsche Jungmanager wird kaum mit einem Vorgesetzten Winterkorn harmonieren. Es sei denn, Piëch fordert das von beiden, weil er glaubt, dass Winterkorn allein den Konzern nicht nachhaltig umbauen kann. So oder so: Piëch hält die Fäden in den bald 70 Jahre alten Händen und Winterkorn wird ihn auch künftig nicht enttäuschen: „Es war stets mein Ziel, seine genialen Ideen abzusichern.“

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