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Wirtschaft: „Das Geld ist da“

Der AWD-Chef und Kanzlerberater Maschmeyer über private Altersvorsorge und Finanzinvestoren

Was müsste eine neue Regierung jetzt zuerst anpacken?

Klarheit schaffen, einfacher werden. Das öffentliche Hin und Her und gegenseitige Schlechtmachen zwischen Regierung und Bundesrat muss vermieden werden. Dann werden die Menschen auch weniger zögerlich sein, zu konsumieren und etwas für ihre private Altersvorsorge zu tun.

Viele Politiker wollen das Rentensystem viel stärker auf ein kapitalgedecktes System umstellen. Finden Sie das richtig?

Ja. Die deutschen Sozialversicherungssysteme sind wie ein defizitärer Sportverein. Jedes Mitglied kostet den Verein 110 Euro, aber jeder zahlt nur 100 Euro Beitrag. Je mehr Mitglieder dieser Verein holt, desto schneller geht er Pleite. Also hilft nur ein Wechsel in einen gesunden Verein, sprich private Rentenversicherung.

Welche Sanierung schlagen Sie vor?

Mein Vorschlag: Jeder Bürger kann ein multifunktionelles und individuelles Vorsorgekonto einrichten, auf das er einen bestimmten Betrag zur Altersvorsorge jährlich steuerfrei einzahlen kann. Dabei sollte das eigentlich für die Altersvorsorge angesammelte Vermögen in Ausnahmesituationen früher flexibel verfügbar sein, je nachdem, in welchen Lebensumständen der Einzahler sich gerade befindet. Bei Berufsunfähigkeit zum Beispiel oder bei außerordentlich schweren Krankheiten, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckt sind, müsste der Bürger auch vorzeitig steuerfrei an sein Vorsorgevermögen herankommen. Zum Beispiel auch bei Arbeitslosigkeit.

Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass die neue Regierung einen solchen Vorschlag aufgreift?

Das hängt davon ab, wie stark sich liberale Vorstellungen umsetzen lassen. Wie einfach deregulierte Vorsorge ist, zeigen die Österreicher. Sie haben vor zweieinhalb Jahren die sehr einfache Förderrente eingeführt, für die man nur ein Formular braucht. Wir haben unseren Umsatz in Österreich in diesen zweieinhalb Jahren um 80 Prozent erhöht, weil die Menschen dort in großer Zahl die Förderung der Zusatzrenten nutzen.

Bieten Sie sich der neuen Regierung – wie der bisherigen Regierung – als Berater an?

Ich bin Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft und kein Politprofi. Wenn ich gefragt werde zu Themen, bei denen ich helfen kann, gebe ich auch in Zukunft gern meinen Rat.

Können es sich die Bürger angesichts von Massenarbeitslosigkeit, privater Überschuldung und Job-Angst überhaupt noch leisten, zusätzlich privat vorzusorgen?

Das Geld ist da. Wir haben die höchste Sparquote seit Jahren. Schauen Sie sich an, dass ein Drittel des Geldes auf niedrig verzinsten Sparkonten liegt. Ein Sparbuch kann kurzfristig ein Parkplatz sein, langfristig wird es zum Schrottplatz. Sparbuch-Guthaben eignen sich auch aufgrund der niedrigen Verzinsung nicht zur Altersvorsorge, auch weil der Sparer immer in Versuchung ist, das Geld vorzeitig für etwas anderes auszugeben.

Altersvorsorge bedeutet Konsumverzicht. Das tut der schwachen Binnenkonjunktur doch nicht gut, oder?

Wer rechtzeitig anfängt, die richtigen Produkte wählt und auf eine möglichst hohe, steuerfreie Rendite achtet, kann mit intelligenter Altersvorsorge auch mit geringen Beiträgen viel Vermögen ansparen. Wer wartet, verschenkt jedes Jahr fünf Prozent Rente.

Die meisten Deutschen warten lieber, weil sie nicht wissen, was die Zukunft bringt. Seit Anfang des Jahres tun sich die Finanzvertriebe – auch der AWD – deshalb sehr schwer, ins Geschäft zu kommen. Wann ändert sich das?

Die Leute müssen nun nach – leider wohl unumgänglichen – Schwarzmalereien im Wahlkampf wieder mehr Optimismus und Selbstbewusstsein entwickeln. Durch die politisch motivierte Zurückhaltung der Kunden können wir derzeit keine konkrete Kurzfristprognose für das AWD-Geschäft geben. Aber es zeichnen sich auch positive Trends für ein Jahresendspurtgeschäft ab, zum Beispiel bei der Riester-Rente, die für Männer vom kommenden Jahr an teurer wird. Bis Dezember kann man bei Einzahlung in der Rürup-Rente noch die Steuervorteile für das ganze Jahr nutzen. Die Menschen sollten sich sehr schnell unabhängigen Rat holen und dabei eine umfassende Analyse ihrer finanziellen Situation vornehmen lassen, um nicht Vorteile und Steuern für dieses Jahr zu verschenken.

Das Steuerprivileg für Kapitallebensversicherungen ist seit Januar weggefallen. Das Produkt verkauft sich deshalb schlechter. Können Sie mit anderen Produkten diesen Umsatzausfall ausgleichen?

Wir hatten in der Vergangenheit einen geringen Anteil an Kapitallebensversicherungen. Dieses Segment wird sich auf mehrere Produkte verlagern, etwa auf steuerlich absetzbare Fonds-Renten, geförderte Riester-Verträge und steuerfreie Policenfonds. Wichtig ist vor allem eine neuerliche „Günstigen-Prüfung“. Und oft kann auch eine betriebliche Altersvorsorge sehr günstig sein. Besonders im Kommen sind Aktienfonds, hier rechnen wir mit einem Umsatzplus von 150 Prozent in diesem Jahr.

Ihr Wachstum kommt zurzeit vor allem aus dem Ausland. Wie viele Probleme bereitet Ihnen Deutschland?

Wir haben im ersten halben Jahr 2005 durch die Produktkomplexität und die vorgezogenen Wahlen beim Kunden hohen Beratungsbedarf, aber reduzierte Abschlussfreude gesehen. Aber während die Branche insgesamt 30 Prozent Umsatz verloren hat, haben wir viel besser abgeschnitten. Auch bei Gegenwind wollen wir Sieger sein, und ich bin optimistisch, dass wir „Gold“ holen.

Jeder AWD-Kunde hat im Schnitt 5,1 Verträge. Wie viele soll er denn abschließen?

Retail is detail, heißt es. Jeder Fall ist anders, jeder Kunde hat andere Verträge. Außerdem laufen Verträge aus. Im Durchschnitt hat ein Privatkunde elf verschiedene Verträge bei unterschiedlichen Finanzinstituten. Davon wird ein Vertrag pro Jahr erneuert. Im Rahmen einer langfristigen Finanzplanung entsteht also immer wieder Bedarf. Wir wollen bei AWD auf durchschnittlich sechs Verträge pro Kunde in den nächsten Jahren kommen.

Sie haben 20 Prozent Ihrer AWD-Aktien verkauft und 236 Millionen Euro erlöst. Was haben Sie mit dem Geld gemacht?

Richtig, um den Free-Float bei der AWD-Aktie zu erhöhen, haben wir die Aktionärsbasis verbreitert, wodurch AWD noch unabhängiger geworden ist. Für uns fiel eine hohe Steuerzahlung in Deutschland an. Unser Geld haben wir wie seit eh und je breit gestreut und solide angelegt.

Internationale Finanzinvestoren geben zurzeit viel Geld in Deutschland aus. Hat man auch schon bei Ihnen angeklopft?

Unabhängige Finanzberatung ist der Wachstumsmarkt schlechthin. Logisch, dass wir regelmäßig angesprochen werden – nicht nur aus Europa.

69 Prozent der AWD-Aktien werden frei gehandelt. Müssen Sie fürchten, dass die AWD ihre Unabhängigkeit verliert?

Wer das Geschäftsmodell von AWD ändern will, braucht mehr als 75 Prozent der Anteile. Dazu wird es aber nicht kommen. Unsere Familie wird die Sperrminorität von über 25 Prozent und damit die Unabhängigkeit von AWD verteidigen. Im Übrigen sind wir im People-Business tätig, da macht eine feindliche Übernahme keinen Sinn.

Sie würden eine Kapitalerhöhung begleiten?

Seien Sie versichert, dass wir jederzeit eine Kapitalerhöhung mitmachen können.

Zeigt das Beispiel Deutsche Börse nicht, dass Investoren auch mit weniger Anteilen eine Konzernstrategie umwerfen können?

Der Unterschied besteht darin, dass wir als Gründerfamilie noch aktiv im Unternehmen und größter Aktionär sind. Uns wird es nicht mit abhängiger Beratung geben. AWD und Maschmeyer stehen für unabhängige Finanzberatung.

Das Gespräch führte H. Mortsiefer.

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