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Fifa-Boss mit Fifa-Balll. Sepp Blatter und der WM-Ball "Brazuca" von Adidas.

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Das Geschäft mit der WM 2014: Fußball für alle

Vom Fruchtgummi bis zum Stadionbau – das Fan-Fieber steckt fast alle Branchen an. Einige Unternehmen machen Kasse, doch die Volkswirtschaft hat wenig davon.

Roland Koch darf sich als Kellner der Fußball-WM fühlen. Bilfinger, das Unternehmen, das der ehemalige hessische Ministerpräsident seit 2011 führt, steuert für alle WM-Spielorte in Brasilien Küchentechnik, Besteck und Geschirr bei – zur Verpflegung von 400 000 Gästen. „Non- Food-Catering“ heißt das im Fachjargon. Bilfinger kennt sich aus: Schon bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 war die Eventservice-Tochter des früheren Baukonzerns im Geschäft.

In Brasilien macht Bilfinger aber noch mehr: An zwölf Austragungsorten haben die Mannheimer Verkehrsleitzentralen mit Monitorwänden und Software ausgestattet. Damit werden die Einsätze von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr koordiniert. „Das Auftragsvolumen liegt insgesamt bei 20 Millionen Euro“, sagt ein Sprecher. Roland Koch reise übrigens nicht nach Brasilien. Die Spiele der deutschen Mannschaft seien jedoch in seinem Kalender vermerkt, „um sie von Deutschland aus zu verfolgen“.

In die Hose. Tchibo bietet WM-Pantys im Doppelpack.
In die Hose. Tchibo bietet WM-Pantys im Doppelpack.

© promo

In WM-Stimmung bringen lassen kann sich der Bilfinger-Chef auch gut zu Hause. Lange vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels am kommenden Donnerstag ist in Deutschland das WM-Fieber ausgebrochen. Einzelhändler, Bau- und Elektronikmärkte, Sportartikelfirmen, Versandhandel, Gastronomie – kaum eine Branche, die sich in diesen Wochen nicht fußballbegeistert zeigt. „Alle versuchen, einen Bezug zum Gesprächsthema Nummer eins herzustellen“, beschreibt Marketingberater Peter Rohlmann den Trend. Vom „Lemminge-Effekt“ spricht Markus Voeth, Marketing-Professor an der Universität Hohenheim. Alle feiern mit – ohne recht zu wissen, ob es sich unter dem Strich auch lohnt.

Die WM-Brasilien-Begeisterung treibt dabei die schönsten Blüten. Neben der üblichen schwarz-rot-goldenen Ganzkörperausstattung (Trikots, Schals, Perücken, Make-up, Käppies, Pfeifen und Trommeln) bietet der Handel, was das Fan-Herz begehrt. Im Supermarkt „WM-Speisekartoffeln“ von Kaiser’s, die „Meister-Bolognese“ von Knorr („In 5 Minuten fertig zum Anpfiff!“), „Fan Gums Brazil“ von Haribo oder die Buttermilch „Ipanema“. Die Drogeriekette DM offeriert zur Jumbo-Packung Windeln WM-Trikots für die Kleinen. Bei Tchibo gibt’s unter dem Motto „Wir tragen Brazil“ formbeständige Damen-Pantys im Deutschland- und Brasilien-Dessin. Gardena lädt derweil Hobbykicker zum Tischfußball auf echtem Rasenbelag ein.

Torjubel im Vorgarten. Der Einzelhändler Rewe hat seinen weltmeisterlichen Fußball-Zwergen das DFB-Jersey übergestreift.
Torjubel im Vorgarten. Der Einzelhändler Rewe hat seinen weltmeisterlichen Fußball-Zwergen das DFB-Jersey übergestreift.

© promo

So bunt es einzelne Unternehmen auch treiben – für die deutsche Wirtschaft insgesamt ist der ökonomische WM-Effekt kaum messbar. „Das hat eine Dimension, die man vernachlässigen kann“, meint Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Selbst die Fußball-WM in Deutschland 2006 war für das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) kaum spürbar – das vierwöchige Event, dessen Leistung Ökonomen auf 3,5 Milliarden Euro schätzen, entsprach aufs Jahr hochgerechnet kaum mehr als 0,03 Prozent des BIP (2,3 Billionen Euro). Für einzelne Firmen und Branchen mag das Zusatzgeschäft beträchtlich sein – die Wertschöpfung für die Volkswirtschaft insgesamt ist es nicht. „Daran ändert sich auch nichts, weil Kneipen und Restaurants vier Wochen lang voll sind“, sagt Brenke. Das Konsumverhalten verändere sich wegen einer WM nicht nachhaltig. Umgekehrt bremse der Schlafmangel einiger Fußballfans nicht die Produktivität der deutschen Wirtschaft insgesamt. Zumal in der Vorrunde zwei Spiele mit deutscher Beteiligung um 18 Uhr und eins um 21 Uhr beginnen – „arbeitgeberfreundlich“, wie Berater Rohlmann sagt.

Unter der Haube. Seit 2006 Standardausstattung für den WM-Fan.
Unter der Haube. Seit 2006 Standardausstattung für den WM-Fan.

© dpa

Anders als beim Fanartikel-Schnickschnack geht es bei den Sportausrüstern um das große Geld. Eine Fußball-WM ist vor allem für Adidas und Nike Gelegenheit, den Zweikampf an der Marktspitze zu verschärfen. Adidas will als offizieller Fifa-Partner mit Fußball-Ausrüstung in diesem Jahr mindestens zwei Milliarden Euro umsetzen. Bei Nike sind es 1,4 Milliarden Euro – nur mit Schuhen. Von Adidas stammt auch der WM-Ball „Brazuca“. 13 Millionen Mal will ihn das Unternehmen verkaufen. Auch die Schiedsrichter werden vom Dax-Konzern aus Herzogenaurach ausgestattet. Vorteil Nike: Der US-Konzern stattet zehn Teams aus – darunter Brasilien – Adidas nur neun.

Wenn die WM beginnt, werden die Ausrüster den Großteil des Geschäfts gemacht haben. Ebenso die deutschen Unternehmen, die von den Investitionen der Brasilianer in WM-Bauten und die Infrastruktur des Landes profitiert haben. Umgerechnet acht Milliarden Euro steckte der Staat in Stadien und WM-Anlagen, auf mindestens 20 Milliarden Euro dürfte sich das gesamte Investitionsvolumen belaufen – ähnlich wie in Südafrika vor vier Jahren. Auf 1,5 Milliarden Euro bezifferte der DIHK damals das Auftragsvolumen deutscher Firmen rund um die WM.

Auf die Pauke. Media-Markt trommelt für Deutschland.
Auf die Pauke. Media-Markt trommelt für Deutschland.

© obs/Media Markt

In Brasilien sind mit 1400 deutschen Firmen doppelt so viele wie in Südafrika engagiert. Wie sich deren WM-Engagement in Euro ausgezahlt hat, vermag die Deutsch- Brasilianische Industrie- und Handelskammer nicht zu sagen. Thyssen-Krupp sei beim Bau von Aufzügen zum Zuge gekommen, Bosch bei der Beleuchtung, Siemens bei Infrastruktur-Investitionen. Zahlreiche Mittelständler seien zudem als Spezialisten gefragt gewesen. Das Hamburger Architetkturbüro gmp entwarf die Stadien in Brasília und Manaus, das Braunschweiger Büro Schulitz+Partner das Nova-Stadium in Salvador.

Die Proteste in Brasilien gegen die teuren Prachtbauten könnten indes dem größten WM-Profiteur – der Fifa – einen Strich durch die Rechnung machen. Halten sich die Fans beim Kauf von lizensierten Jubelartikeln zurück, sinken auch die Einnahmen des Verbandes. 1,8 Milliarden Euro setzte der Einzelhandel 2006 noch mit Fifa-lizensierten Produkten um, 2010 waren es noch 1,2 Milliarden. Experten rechnen damit, dass 2014 erneut weniger in die Kasse der Fifa fließt.

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