zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Das Kartell der Schweiger

Die Unternehmen informieren besser über die Vorstandsbezüge, aber es gibt immer noch große Lücken

Düsseldorf - Siemens und Altana schenken ihren Investoren einen besseren Einblick in die Bezüge ihrer Vorstandsmitglieder als alle anderen Dax-Konzerne. „Diese Unternehmen sind vorbildlich in der Information,“ sagt Vergütungsexperte Heinz Evers. Der Berater und ehemalige Kienbaum-Geschäftsführer hat exklusiv für das Handelsblatt ein Publizitätsranking der 30 führenden Konzerne im Deutschen Aktienindex erstellt.

Fazit: Der Umfang der Angaben wächst sehr schnell, die Übersicht geht aber zunehmend verloren. Evers: „Es ist höchste Zeit, dass die Corporate-Governance-Kommission und die Regierung Standards für die Veröffentlichung von Vorstandsvergütungen erarbeiten.“ Für das Geschäftsjahr 2006 müssen die Unternehmen erstmals individuell die Bezüge ausweisen.

Mit deutlichem Abstand auf das Spitzenduo folgen in dem Transparenzranking Lufthansa, Allianz und Thyssen-Krupp. Schlusslichter bilden FMC und Infineon. Evers vergibt maximal 36 Wertungspunkte für die Publizität in sechs Vergütungskategorien. Sie reichen von den Angaben über Gesamtbezüge und Jahrestantiemen bis hin zur Offenlegung der Altersversorgung, Abfindungsregelung und sonstiger Sachbezüge. Bewertet wird vor allem, wie vollständig und verständlich die Informationen sind.

Evers verweist auf die aktuelle Debatte um die Offenlegung der Managerbezüge. Die deutsche Corporate-Governance-Kommission unter Leitung von Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hat zwar Empfehlungen dazu ausgesprochen. Das reichte der früheren rot-grünen Bundesregierung nicht aus. Sie verabschiedete ein Gesetz, das alle börsennotierten Aktiengesellschaften zwingt, mit Vorlage des Geschäftsberichts 2006 die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds offenzulegen. Allerdings macht das Gesetz keine detaillierten Vorgaben.

Nach der Analyse hat sich die Publizitätssituation zur Vorstandsvergütung in den letzten Jahren zumindest bei den Dax-Unternehmen „außerordentlich verbessert“. Besonders spektakulär ist die Entwicklung bei Altana. Evers: „Fand man die Vorstandsvergütung im Geschäftsbericht 2004 nicht einmal im Stichwortverzeichnis, so präsentierte die Gesellschaft diesmal einen mustergültigen Vergütungsbericht.“

„Die Tendenz ist zwar erfreulich“, resümiert Evers, „aber es gibt noch einige gravierende Schwachpunkte. Die wertmäßige Entwicklung der Gesamtbezüge, insbesondere auch der festen und variablen Vergütungselemente, ist vielfach nicht dargestellt. Während in den Geschäftsberichten bei allen anderen Bilanzdaten die Angabe der Vorjahreswerte selbstverständlich ist, unterbleibt dies bei den Vergütungswerten häufig. So aber fehlt dem Leser die zentrale Information, inwieweit die Entwicklung der Vorstandsvergütung und ihrer einzelnen Komponenten mit der Entwicklung der Ertragslage des Unternehmens korrespondiert.

Sieben Dax-Unternehmen – dazu zählen RWE, Daimler-Chrysler und die Deutsche Telekom – geben weder bei den Gesamtbezügen noch bei den einzelnen Vergütungskomponenten Vorjahreswerte an. Sieben weitere Unternehmen – wie Eon, Metro und SAP – informieren zwar über die Entwicklung der Gesamtbezüge, lassen jedoch die Entwicklung der festen und der erfolgsorientierten variablen Vergütungen offen. „Besonders merkwürdig“, so Evers, seien die Angaben im VW-Geschäftsbericht. Hier wird zwar über die Entwicklung der Festbezüge berichtet, aber weder zu den Gesamtbezügen noch zu den variablen Erfolgskomponenten finden sich die Vorjahreswerte.

In vielen Geschäftsberichten müssen die Anleger die Vergütungsangaben mühsam suchen. So findet sich „Vorstandsvergütung“ bei immerhin elf Firmen weder als Begriff im Stichwortverzeichnis noch als Gliederungspunkt im Inhaltsverzeichnis. Dazu zählen BASF, Deutsche Börse, Telekom und Infineon. Dass auch Vergütungshinweise im Inhaltsverzeichnis nicht unbedingt zum Ziel führen, belegt der Geschäftsbericht von Henkel. Zwar findet sich am angegebenen Ort ein ausführlicher Bericht zu den Grundzügen und Komponenten der Geschäftsführervergütung. Die konkreten Zahlen findet der Leser dann allerdings unter Punkt 47 der Erläuterungen zur Konzerngewinn- und Verlustrechnung.

Trotz Empfehlung des Governance-Kodex und des Transparenzzwangs ab 2006 umfasst das „Schweige-Kartell“ für das Geschäftsjahr 2005 im Dax immer noch sechs Unternehmen: BASF, BMW, Daimler-Chrysler, FMC, Linde und Münchener Rück. Mit MAN und Infineon geben zwei weitere Gesellschaften zumindest die Bezüge bekannt. Drei der sechs Verweigerer haben den individuellen Ausweis bereits angekündigt (Daimler-Chrysler, FMC, Linde). Evers: „Bei den restlichen bleibt abzuwarten, ob sie sich der gesetzlichen Forderung beugen oder aber dem Beispiel Porsches sowie elf weiterer MDAX-Unternehmen folgen und sich von den Hauptversammlungen 2007 das Schweigen auch für die nächsten fünf Jahre sanktionieren lassen.“

Dieter Fockenbrock (HB)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false