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Wirtschaft: Das Microsoft-Urteil: Die Aufspaltung des US-Konzerns könnte dessen Marktposition in Europa entscheidend verbessern

Wird die Position des Software-Riesen Microsoft in Europa stärker, wenn er zerschlagen wird? Das Unternehmen hat versucht, mit Investitionen von Milliarden Dollar den europäischen Markt ebenso zu beherrschen wie den US-amerikanischen.

Wird die Position des Software-Riesen Microsoft in Europa stärker, wenn er zerschlagen wird? Das Unternehmen hat versucht, mit Investitionen von Milliarden Dollar den europäischen Markt ebenso zu beherrschen wie den US-amerikanischen. Doch während der Internet-Browser Explorer in ganz Europa genutzt wird, hat Microsoft einen geringen Marktanteil bei Handys und interaktivem Fernsehen. Bei diesen zwei Technologien sind europäische Unternehmen führend.

Das könnte sich jetzt ändern. Denn eine Aufspaltung von Microsoft würde bedeuten, dass das Unternehmen von weniger Restriktionen eingeengt wird. Das Unternehmen kann einen neuen Browser für drahtlose Geräte wie etwa Handys entwickeln - oder eine Kooperation mit einem anderen Unternehmen eingehen - statt wie bislang Windows anpassen zu müssen. Und es kann stärker als bislang seine set-top-Boxen als Zugang zum interaktiven Fernsehen ausbauen. "Eine Aufspaltung von Microsoft wird viel Wettbewerbsenergie freisetzen", sagt Rodolfo De Benedetti, der Chef von CIR, einem italienischen Verlagshaus und Internet-Unternehmen. "Microsoft", fügt er hinzu, "hat keinen Grund mehr, seine Geschütze zurückzuhalten."

Bislang bezog Microsoft seine Macht vom Marktführer für PC-Standardsoftware Windows. Doch der PC verliert an Bedeutung - im Internet spielt heute die Musik. Dort surft man im Web, hört online Musik oder liest E-Mails oder chattet mit Freunden. "In ein paar Jahren denkt niemand mehr ans Betriebssystem", sagt Philip Greenspun aus Cambridge, Massachusetts, der als Berater am Massachusetts Institute of Technology und Chef von ArsDigita arbeitet.

Schon jetzt ist Microsoft in der Internetbranche ein gefürchteter Konkurrent. Es waren vor allem die Internet-Ambitionen von Microsoft, die den unangenehmen Kartellprozess losgetreten hatte. Doch während des Prozesses war Microsoft gezwungen, sich zurückzuhalten. Obwohl das Linux-Betriebssystem während des Gerichtsverfahrens boomte, unternahm der Microsoft keine Anstrengungen, selbst eine Linux-Software herauszubringen. Nach der Aufspaltung wäre das Unternehmen frei, bei den neuen Informationstechnologien - von Internet-Handys bis zu interaktivem Fernsehen - stärker mitzumischen.

Ein kurzer Überblick soll zeigen, wo Microsoft steht und wie sich seine Position bei einer Aufspaltung verändern könnte.

Mobiler Internet-Zugang

Die Zukunft des Internet liegt im mobilen Zugang. Dabei wird das Netz direkt vom Handy, PC oder irgendeinem anderen Apparat angezapft. Das Unternehmen geht den mobilen Internetzugang auf zweierlei Weise an: beim Betriebssystem und den Anwendungen. Die kabellose Version des Microsoft-Betriebssystems Windows konkurriert vor allem mit Epoc, einem ähnlichen System, das von Symbian, dem internationalen Joint-venture von Schwergewichten wie Ericsson, Nokia, Motorola und dem Softwarehersteller Psion entworfen wurde. Symbian führt das Rennen zurzeit an.

Etwas besser sieht es für Microsoft im Bereich mobiler Software-Anwendungen aus, die in Europa eine immer größere Rolle spielen. Im vergangenen Jahr hat Microsoft mit Ericsson ein Joint-venture für die Entwicklung mobiler E-Mail-Produkte und anderer Anwendungen gestartet. Diese Kooperation könnte für Microsoft lukrativ werden, sollte Ericsson bei der nächsten Handy-Generation Microsoft-Software verwenden. Der US-Konzern arbeitet außerdem mit British Telecommunications zusammen, um ähnliche Internet-Angebote für den britischen Markt zu entwickeln. Dennoch steht Microsoft in hartem Wettbewerb zu Nokia, Psion und kleineren nordischen Unternehmen.

Interaktives Fernsehen

Obwohl in den USA mehr Menschen einen Kabelanschluss haben als in Europa, ist die Alte Welt bei der Technologie weiter. In Großbritannien etwa erhalten Kunden Kabelfernsehen und Telefon über die gleiche Leitung. Der Gipfel wäre erreicht, wenn über das gleiche Kabel auch Internet mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit, Videobestellungen, interaktive Spiele und sonstige Multimedia-Angebote übertragen werden könnten. Microsoft hofft, die Betriebssoftware für die neuen Angebote liefern zu können und einen Kabelanbieter zu finden, der für Entwicklungen wie Microsoft Network die Inhalte liefert. Das Unternehmen hat schon mehrere Milliarden Dollar in den Kampf um die europäischen Wohnzimmer investiert. So hat Microsoft Anteile am größten britischen Kabelanbieter NTL und will auch einen Anteil an der Telewest Communication kaufen. Beide Unternehmen bieten ihren Kunden bereits Multimediadienste an. Microsoft ist außerdem mit United Pan-Europe-Communications am zweitgrößten Kabelanbieter in Europa beteiligt.

Wegen der starken Position von Microsoft in der europäischen Kabel-Industrie hat die EU-Kommission bereits die Alarmglocke geläutet. Gegenwärtig ist die Kommission vor allem über Microsofts Absicht besorgt, einen 30-prozentigen Anteil an Telewest zu erwerben. Käme es zu einer Aufspaltung, dürfte der Druck auf Microsoft nachlassen.

Internet

Was den PC-Browser-Krieg betrifft, befindet sich Microsoft in einer recht starken Position auf dem europäischen Markt. Sein wichtigstes Produkt Explorer hat einen leichten Sieg davongetragen, teilweise, weil das konkurrierende Produkt Netscape - das jetzt zu America Online gehört - alles andere als spektakulär war. Anders als in den anderen Bereichen dürfte Microsoft im Internet eine Aufspaltung eher schaden als nützen. "Wenn Betriebssystem und Anwendungen getrennt werden, dann lässt sich der Vorteil der engen Schnittstellen nicht mehr so überzeugend verkaufen", sagt Adam Daum, Forschungsdirektor der Gartner Group in Großbritannien.

Doch was andere Web-Aktivitäten betrifft, dürfte Microsoft davon profitieren, ein kleineres Unternehmen zu werden. Eine schlankere, weniger bürokratische Struktur könnte dem Unternehmen dabei helfen, sich auf seine Portale MSN.com und Microsoft.com zu konzentrieren und auf regionale Web-Sites wie die französische Microsoft.fr. Zudem dürften es sich Unternehmen, die sich bislang davor hüteten, mit dem Schwergewicht zusammenzuarbeiten, anders überlegen. "Nun können sie Microsoft nach der Produktqualität beurteilen", sagt Daum. "Und müssen nicht mehr einer Kooperation mit dem Unternehmen ausweichen, weil es zu mächtig ist."

Die europäischen Net-Aktivitäten von Microsoft waren unterschiedlich erfolgreich. In Großbritannien gehören Microsoft nach Angaben des Internet-Marktforschungsunternehmen MMXO Europe zwar drei der fünf führenden Internet-Domänen-Adressen. Doch außerhalb von Großbritannien kann Microsoft noch viel tun, um seine Position zu verbessern. Denn europäischen Konkurrenten wie der Internet-Provider T-Online von der Deutschen Telekom und ISP Wanadoo von France Télécom teilen sich den Löwenanteil der Internetbesucher.

Gautam Naik

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