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Wirtschaft: Das richtige Zeitfenster

Eine Auszeit zwschen Bachelor und Master birgt finanzielle Risiken.

Sprachreise, Berufserfahrung oder Selbstfindung – zwischen Bachelor und Master ist Zeit dafür. In Großbritannien und den USA hat das sogenannte „Gap Year“ eine lange Tradition: Hochschulabsolventen nehmen eine Auszeit, bevor nach dem Abschluss der Ernst des Lebens beginnt. Die einen nutzen sie, um sich beruflich zu orientieren. Andere genießen noch einmal die große Freiheit und reisen als Rucksacktouristen um die Welt. Auch in Deutschland wird das „Gap-Year“ populär – als Auszeit zwischen Bachelor und Master.

Ein „Gap Year“ plant auch Carl Escher, der einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre gemacht hat. Seine Auszeit betrachtet er aber nicht als Urlaub, sondern als Optimierung von Berufschancen und Lebenslauf. Gerade absolviert der 25-Jährige ein mehrmonatiges Praktikum bei der Deutschen Unesco-Kommission in Bonn. „Bevor es mit dem Masterstudium weitergeht, möchte ich auch noch eine Sprachreise nach Lateinamerika machen“, sagt Escher. Zeit, um über den Tellerrand zu blicken, hatte er in den letzten Jahren nicht. „Ich habe ein duales Studium gemacht“, erklärt er. Das bedeutet, dass er während der vorlesungsfreien Zeiten eine Ausbildung in einem Unternehmen absolvierte.

„Das Studium war wirklich sehr klassisch BWL, sehr einseitig“, sagt Carl Escher. Er merkte bald, dass ihm etwas fehlte. Deshalb entschied sich Escher, zwar den Abschluss zu machen. Danach wollte er sich jedoch neu orientieren. „Jetzt ist noch einmal ein guter Zeitpunkt, um das zu machen“, glaubt er.

Prinzipiell besteht keine Verpflichtung, den Master direkt an den Bachelor anzuschließen. „Die Chancen sind auch die gleichen, egal ob man sich direkt bewirbt oder erst ein Jahr später“, versichert Jörg Ottmann von der Zentralen Studienberatung der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. So entsteht ein neues Zeitfenster, das ähnlich genutzt werden kann, wie viele es bereits nach dem Schulabschluss tun. Zeit für praktische Berufserfahrung, Bildungsreisen oder soziales Engagement.

Trotzdem würde Ottmann eher davon abraten, ein „Gap Year“ nach dem Bachelor zu nehmen. „Es ist besser, solche Sachen während des Bachelor- oder Masterstudiums zu machen, nicht dazwischen.“ Auslandsaufenthalte und Praktika während des Studiums hätten den großen Vorteil, dass die Immatrikulation erhalten bleibt.

Denn am Studentenstatus hängen viele Vergünstigungen, die wegfallen, wenn die Pause zu lang wird. „Im Praktikum verdient man oft nichts oder nur sehr wenig, umso wichtiger ist es, an der Hochschule eingeschrieben zu sein.“ Außerdem vergeben viele Unternehmen ihre Praktika überhaupt nur an eingeschriebene Studenten.

Auch Ingrid Kurz-Eckardt vom Hochschulteam der Arbeitsagentur in Nürnberg spricht sich dafür aus, nicht zu blauäugig daran zu gehen. „An der Immatrikulation hängen Rentenanrechnungszeiten, die vergünstigte Krankenversicherung und bei Leuten unter 25 Jahren auch das Kindergeld“, warnt sie. Das sollten Studenten sich stets bewusst machen und in ihre Planungen mit einbeziehen. Sie halte es für wesentlich besser, ein oder zwei Urlaubssemester einzulegen, denn dabei bleibt der Studentenstatus erhalten.

„Oder man schaut, wie lang die Pause ist, die sowieso zwischen der Abgabe der Abschlussarbeit und dem Beginn des Masters liegt.“ Die sei oft schon lang genug, um ein Praktikum oder einen längeren Auslandsaufenthalt oder gar beides zu planen.

Wer auf die Auszeit nicht verzichten möchte, sollte sich unbedingt frühzeitig über Möglichkeiten und eventuelle Probleme informieren. Optimal sei es auf jeden Fall, die Planung abzuschließen, bevor die stressige Zeit der Abschlussarbeit anfängt. Denn währenddessen ist nur wenig Zeit für andere Gedanken und eine gute Bewerbung braucht Zeit. Außerdem: „Wenn es ins Ausland gehen soll, sind sogar mindestens anderthalb Jahre Vorausplanung die Faustregel“, erklärt Ingrid Kurz-Eckardt vom Nürnberger Hochschulteam der Arbeitsagentur..

Dann lieber auf Sicherheit spekulieren wie BWL-Absolvent Carl Escher. Er hatte für die Zeit nach dem Bachelor zweigleisig geplant. „Ich habe mich auch nach geeigneten Masterplätzen umgesehen“, sagt er. „Ich möchte aber etwas in Richtung Wirtschaftspolitik machen und weg von der reinen BWL.“ Dieser Wechsel ist allerdings nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Also entschied er sich für das „Gap Year“. Um Selbstfindung oder dem Urlaub geht es ihm bei seiner Auszeit jedoch nicht: Mit seinem Praktikum will er auch seinem Wunsch-Master ein Stück näher kommen. Die praktischen Erfahrungen sollen seine Chancen bei der Bewerbung erhöhen. dpa

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