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Wirtschaft: Das Tarifmodell braucht Korrekturen

Die klassischen Streitinstrumente haben ausgedient / Bei einer Tagung in Berlin legten die Metallarbeitgeber Alternativvorschläge vorVON PETER BOLM BERLIN.Ins Lager der Arbeitgeber kommt Bewegung.

Die klassischen Streitinstrumente haben ausgedient / Bei einer Tagung in Berlin legten die Metallarbeitgeber Alternativvorschläge vorVON PETER BOLM BERLIN.Ins Lager der Arbeitgeber kommt Bewegung.Die Jahrzehnte relativer Bescheidenheit sind vorbei; das in vielen Tarifschlachten erprobte Vertragswerk, das beiden Parteien geregelte Abläufe innerhalb einer stabilen Tarifautonomie garantierte, ist reformbedürftig geworden.In Zeiten fortschreitender Markttransparenz, weltweiter Vernetzungen und immer schwächer ausgeprägter Standortvorteile geraten die klassischen Formen von Streik und Aussperrung inzwischen in die Nähe von Anachronismen.Auch wenn die Gewerkschaften sich damit noch schwertun, werden sie auf Dauer dem Reformfeuerwerk der Arbeitgeber nicht ausweichen können.Zu sensibel sind die einzelnen Arbeitsabläufe geworden; verringerte Fertigungstiefen, der Trend zu Outsourcing und Just-in-Time-Management haben die Arbeitsprozesse verletzbarer gemacht.Intelligent organisiert, erzielen die Gewerkschaften mit kleinstem Einsatz nicht selten große Wirkung."Selbst kurze Warnstreiks reißen heute Löcher in das enggeknüpfte Netz der Zulieferungen", so der Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft, Gerhard Fels.Auf einem Forum der Metallarbeitgeber am Wochenende in Berlin vertrat der Kölner Wissenschaftler die These, daß neben anhaltend moderater Lohnpolitik, einer Auffächerung der Lohnstrukturen und flexiblen Flächentarifverträgen vor allem neue Modelle zur Lösung der Konflikte zu den wesentlichen Bausteinen gehören, um die Lage auf dem Arbeitsmarkt grundlegend zu verbessern.Gefordert wird ein Procedere, das zügige Abschlüsse ermöglicht und Rationalität zur Richtschnur einer künftigen Tarifkultur macht.Fels rechnet vor, daß Streiks nach klassischem Muster immer häufiger einen Schaden verursachen, der in keinem Verhältnis zum eigentlichen Anlaß steht.In der Tat geriete ein Arbeitskampf wie 1984, als der Streit um die Einführung der 35-Stunden-Woche 5,6 Mill.Arbeitstage kostete, heute in seinen Folgen zu einem katastrophalen Flächenbrand.Die Leidtragenden wären nicht zuletzt die Arbeitnehmer.Aber auch die Gewerkschaften haben dazugelernt und überlassen Strategie und Bewältigung der Konflikte schon öfter den Betroffenen vor Ort.Unternehmer, Beschäftigte und Betriebsräte lassen sich in zunehmendem Maße von Sachzwängen leiten, die Pragmatismus und friedliches Einvernehmen provozieren."Offensichtlich verläuft die Konfliktlinie immer häufiger zwischen Betrieb und Außenwelt.Von Ausbeutung der Arbeiterklasse kann nicht mehr die Rede sein.Das kommunistische Manifest hat bereits sein 150jähriges Jubiläum gefeiert", sagt Fels.Die Tarifautonomie aber bleibt der Rahmen für Lohnrunden und Manteltarife.Hier hält es der Kölner mit den Schweden, die - richtungsweisend für Europa - ein Verhandlungsgerüst konstruiert haben, in dem Arbeitskämpfe zur Ultima Ratio werden.Stichworte für die neue Tarifkultur sind das Aufbrechen der Autonomie durch die Mitwirkung Dritter, regelmäßige Kontaktgespräche auch während der Laufzeit der Verträge, verlängerte Zeiten für die Friedenspflicht und engere Schlichtungsverfahren.Das am Freitag vorgestellte Positionspapier der Metallarbeitgeber weist - wie berichtet - in diese Richtung.Wolfgang Franz vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim brachte die Stimmung des Berliner Forums auf den Punkt: "Das deutsche Modell der Lohnfindung ist kein Auslaufmodell, aber eine gründliche Modellpflege ist unerläßlich."

PETER BOLM

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