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„Wir wollen keinen ruinösen Standortwettbewerb.“ NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bekam am Montag reichlich Beifall von der Bochumer Opel-Belegschaft. Foto: dapd

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Wirtschaft: Das Totenglöckchen begraben

Hannelore Kraft ist der Star auf der Opel-Belegschaftsversammlung in Bochum / Der Opel-Chef bleibt vage.

Bochum - Das Transparent kündet eher unfreiwillig vom Zustand des Werkes. „Zukunft für ALLE bei Opel Bochum", steht dort in großen schwarzen Lettern auf gelbem Grund, aber die Farben sind längst verblasst, die Ecken eingerissen, weil sie dem Spiel des Windes nicht mehr standgehalten haben. Die Opelaner hatten es beim Kampf vor drei Jahren neben der Einfahrt über Tor drei aufgehängt, es sollte den unbeugsamen Willen der Belegschaft zeigen, sich nicht kampflos aufzugeben. Obwohl man die Schließungspläne damals abwenden konnte und eine Standortgarantie bis 2014 erstritten hat, blieb es als tägliche Mahnung einfach hängen. An diesem Morgen wirkt das Zeichen aus vergangenen Tagen wieder erschreckend aktuell. Hinter dem Tor versammelt sich die gesamte Bochumer Belegschaft, um sich aus dem Munde des Opel-Chefs anzuhören, wie es um ihre Zukunftsaussichten bestellt ist.

Am Ende fehlt fast niemand der noch mehr als 3000 Mitarbeiter. „Wir erwarten eine ganz klare Aussage vom Vorstandsvorsitzenden“, hatte Rainer Einenkel den Kolleginnen und Kollegen zugerufen und Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke damit eine Vorlage gegeben, die bösen Gerüchte aus der Welt zu schaffen. Demnach soll feststehen, dass Bochum nach 2014 geschlossen wird, weil die Produktion des Zafira dann nach Rüsselsheim geht, um dort jene Lücke zu schließen, die die Verlagerung der Astra-Fertigung nach England und Polen hinterlässt. „Es gibt Planspiele des Unternehmens“, weiß Einenkel, der aus langjähriger Erfahrung geübt ist, die Absichten der Opel-Eigentümer zu dekodieren. Und dem es schon sechs oder sieben Mal gelungen ist, so heftige Proteste im Revier zu organisieren, dass die US-Herren am Ende zurückzuckten und Bochum wieder eine Perspektive einräumten. Beim letzten Mal hatte Einenkel dem Abbau von mehr als 2000 Mitarbeitern zugestimmt. Dafür hatten die Bosse aus Detroit dem Werk das Überleben bis 2014 garantiert.

Dass daran nicht gerüttelt wird, ist an diesem Montag nach der mehr als dreistündigen Betriebsversammlung die einzig konkrete Botschaft von Firmenchef Stracke, der selbst etliche Jahre als Betriebsleiter mit den Bochumern gegen die Amerikaner und deren Schließungsabsichten gekämpft hat. „In meiner Gegenwart ist nie von einer Zafira-Verlegung gesprochen worden“, ruft er den Opelanern zu, aber damit dringt er nicht wirklich durch. Obwohl auch die Düsseldorfer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) angereist ist und unter dem Beifall der Belegschaft ein klares Bekenntnis zum Standort fordert, bleibt Stracke schwammig und verweist auf den 28. Juni. Dann will er dem Aufsichtsrat ein Konzept für die europäischen Standorte vorlegen.

„So eine Eierei“, schimpft nachher einer der Redner und erhält dafür tosenden Applaus. Der Beifall steigert sich noch, als er Stracke und General Motors „Erpressung“ vorwirft, weil man versucht, die europäischen Standorte gegeneinander auszuspielen und dabei ausschließlich auf die billigsten Werke setzt. „Zumindest in Deutschland werden wir das nicht zulassen“, verspricht Kraft und berichtet vom engen Schulterschluss der beteiligten Landesregierungen. In der Tat haben sich die Regierungschefs der Opel-Produktionsstandorte – neben Nordrhein-Westfalen und Rheinland- Pfalz sind das Thüringen und Hessen – darüber verständigt, Opel abgestimmt zu begegnen. „Wir wollen keinen ruinösen Standortwettbewerb, wir wollen, dass das Totenglöckchen begraben wird“, ruft Kraft den Mitarbeitern zu, die frenetisch applaudieren.

Dass dies am Ende wenig helfen wird, drückt auf die Stimmung. „Die wissen längst, was sie wollen, sagen es aber nicht laut“, fürchtet einer der Gewerkschafter, der schon viele Arbeitskämpfe erlebt hat. Immerhin hat Stracke versprochen, den US-Managern von seinen Erlebnissen zu berichten und darauf hinzuweisen, dass man künftig zum Beispiel im Ruhrrevier kaum mehr Opel-Fahrzeuge verkaufen wird, wenn man im Wettbewerb nicht fair bleibt. „Wir sind hoch produktiv und liefern exzellente Qualität“, hatte Betriebsratschef Einenkel gesagt; Stracke saß daneben und nickte. Ob er wirklich im Kreise der amerikanischen Eigentümer etwas zu sagen hat, bezweifeln an diesem Morgen in Bochum aber die meisten Opel-Mitarbeiter.

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