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Wirtschaft: Dax schließt erstmals seit Anfang 1997 unter 3000 Punkten

Wahlausgang spielt nur eine geringe Rolle/US-Konjunkturindikatoren verschlechtern sich/Keine Zinssenkung in Amerika erwartet

Frankfurt (Main)/Berlin (ro/dr/dpa). Der Deutsche Aktienindex (Dax) hat am ersten Handelstag nach dem Wahlsieg der rot-grünen Regierungskoalition nach starken Kursverlusten erstmals seit Januar 1997 unter der Marke von 3000 Punkten geschlossen. Das Börsenbarometer fiel am Montag um 4,94 Prozent auf 2914,25 Punkte. Händler sahen den Wahlausgang als einen Grund für die Verluste, aber nicht als den wichtigsten. „Aber ich denke schon, dass ein gewisses Quäntchen Enttäuschung mitspielt“, sagte ein Marktteilnehmer. Der Dax war bereits am Freitag im Handelsverlauf für kurze Zeit unter die 3000er-Marke abgetaucht, hatte dann aber deutlich darüber geschlossen. Am Neuen Markt fiel der Nemax 50 am Montag um 4,43 Prozent auf 362,63 Punkte. Hier stützte der rot-grüne Wahlsieg die Umweltaktien. Der M-Dax der mittleren Werte verlor 2,01 Prozent auf 2957,22 Zähler.

Ursache für den Absturz der deutschen Börsen am Montag war in erster Linie die bereits seit dem Mittag befürchtete schwächere Eröffnung an der New Yorker Wall Street. Diese Befürchtung wurde dann auch promt bestätigt. Der Dow-Jones-Index für 30 Industriewerte fiel bis zum deutschen Börsenschluss um 1,6 Prozent auf 7858,19 Punkte. Die Furcht vor einem Krieg zwischen den USA und dem Irak sowie die Sorgen um die weltweit lahmende Konjunktur sorgten für Missstimmung auf dem Parkett. Der Dow Jones schloss bei 7872,15 Zählern mit einem Minus von 1,45 Prozent.

Bestätigt wurde der Pessimismus an den Börsen am Nachmittag durch das US-Conference Board, einem Institut der Privatwirtschaft. Dessen weltweit beachteter Konjunktur-Frühindikator fiel schwächer aus, als von Volkswirten prognostiziert. Der Index der zehn wichtigsten Wirtschaftsdaten ging im August um 0,2 Prozent zurück. Bereits im Juli war der Index um 0,1 Prozent und im Juni um 0,2 Prozent gefallen. Analysten sahen in der Entwicklung einen Beleg dafür, dass das Wirtschaftswachstum relativ schwach bleiben wird. Die Unternehmen zögerten mit Investitionen und Neueinstellungen. Ein Ausgleich müsse von den Verbrauchern kommen. „Es besteht die Gefahr, dass selbst die schwache Erholung ins Stocken geraten könnte, falls die Verbrauchernachfrage nachlässt“, sagte Ken Goldstein, ein Ökonom des Conference Board. Das Wachstum in den USA war im zweiten Quartal hochgerechnet auf das Jahr auf 1,1 Prozent geschrumpft, während es im ersten Quartal bei fünf Prozent gelegen hatte.

Keine Hilfe wird von der US-Notenbank (Fed) erwartet. 22 von der Wirtschaftsagentur Bloomberg befragte Wall-Street-Firmen waren sich darin einig, dass die Fed auf ihrer Sitzung am heutigen Dienstag die Zinsen unverändert lassen wird. Der Satz für Tagesgeld liegt bei 1,75 Prozent, so niedrig wie seit 41 Jahren nicht mehr. Die Notenbank hatte die Zinsen nach der Konjunkturabkühlung im vergangenen Jahr elf Mal gesenkt.

Im Dax standen die Technologiewerte an der Spitze der Verlierer, nachdem der Glasfaser-Hersteller JDS Uniphase seine Geschäftsprognosen gesenkt hatte. Außerdem rechnet die Deutsche Bank für die kommenden vier bis sechs Quartale mit einem nur langsam wachsenden Halbleitermarkt. Mit einem Minus von knapp elf Prozent auf 6,65 Euro verbuchten die Titel von Infineon die größten Verluste im Dax. Anleger rechneten mit schlechten Nachrichten beim Mitbewerber Micron, der für Mittwoch Geschäftszahlen angekündigt hat.

Vor allem für Umweltaktien sah es rosiger aus: Sie kletterten am Montag im Handelsverlauf zum Teil um mehr als 20 Prozent. Die Windenergiefirma Plambeck legte um 15,87 Prozent zu, die Konkurrenz von Nordex um 11,14 Prozent. Und das Papier von Umweltkontor verteuerte sich bis zum Schluss um 8,67 Prozent. Händler sagten, die umweltfreundlichere Politik einer rot-grünen Regierung im Vergleich zu einem konservativeren Bündnis stütze die Aktien. Sie schränkten freilich ein: Auch dies dürfte keine Entwicklung von Dauer sein.

Andere Makler am Frankfurter Markt konnten ihren Frust über den Ausgang der Bundestagswahl nicht verbergen. Dem Urteil von Bundesbank-Präsident Ernst Welteke, demzufolge der Wahlausgang Ruhe und Sicherheit schaffe und damit auch die Märkte beruhigen sollte, wollten sie sich schon gar nicht anschließen. Die Börse befürchte nun eine Blockadepolitik der Opposition, hieß es in einer Markteinschätzung der Münchener Hypo-Vereinsbank. Stoibers Anmerkung, er rechne mit einem Scheitern der Regierung binnen Jahresfrist, könne als erstes Zeichen dafür gewertet werden.

Andere Börsianer reagierten gelassen. Sie verwiesen auf eine Erfahrung aus vergangenen Wahlen: „Politische Börsen haben kurze Beine.“ Auch der Frankfurter Kursmakler Heribert Schollmeyer sagte, „jede Regierung hätte in den nächsten Jahren große Probleme“. Und sein Kollege Joachim Lamb mutmaßt gar, dass „Stoiber angesichts der Probleme gar nicht so traurig ist, dass er es nicht gepackt hat". Rolf Elgeti, Chefanalyst der Commerzbank Securities in London vertritt die Ansicht, dass die internationalen Märkten derzeit andere Probleme als die deutsche Wahl hätten.

Doch es gab vereinzelt auch andere Stimmen. „Deutschland kann man für die nächsten vier Jahre vergessen“, sagte ein Händler mit fast schon grimmiger Miene. Die Rezession sei nun sicher, steigende Arbeitslosenzahlen ebenso. „Mit Rot-Grün ist uns der letzte Platz in Europa gewiss.“

Doch auch für die Börsianer, die den Ausgang der Wahl gelassener betrachten, stehen die Börsenampeln weiter auf Rot. „Die Anleger gehen raus, auch die Ausländer verabschieden sich“, sagt Lothar Jaeger . Für Wochen und Monate werde sich die Flaute noch fortsetzen. „Es sei denn, es gibt extrem positive Zahlen und ein unerwartet hohes Wachstum." 400 bis 500 Punkte werde es unter den derzeitigen Bedingungen noch runter gehen, glaubt Jaeger. „Man kann jedem Anleger derzeit nur vom Aktienkauf abraten. Wir sehen noch günstigere Kurse.“

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