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Aus grün mach blau - so soll es nach Angaben von Whatsapp nicht kommen. Für die Nutzer der Chat-Applikation soll sich nichts ändern.

© Reuters

Der 19-Milliarden-Dollar-Deal: Wie Facebook von WhatsApp profitieren will

450 Millionen Telefonnummern sind ein Datenschatz, der Facebook 19 Milliarden Dollar wert ist. Doch beim Kauf von WhatsApp spielen auch andere Motive eine Rolle.

Erinnert sich noch jemand an Facebook Home? Vor gerade einmal zehn Monaten präsentierte Facebook die Android-App, die zur mobilen Heimat von Facebook-Nutzern werden sollte. Es war ein Betriebssystem, das dem eigentlichen Betriebssystem des Smartphones übergestülpt werden sollte.

Facebook Home erwies sich als Flop. Heute redet niemand mehr davon. Facebook aber hat weiterhin vor, langfristig das mobile Netz zu dominieren. Bei der zunehmenden Verlagerung von Online-Aktivitäten auf Smartphones und Tablets ist das kein Wunder. Wer mobil keine Rolle spielt, spielt bald gar keine Rolle mehr.

Der Kauf von Instagram vor knapp zwei Jahren, die gescheiterten Versuche, Waze und Snapchat zu übernehmen und nun der spektakuläre Kauf von WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar zeigen, dass Facebook noch eine andere Idee hat, wie es auf Smartphones allgegenwärtig werden kann. Das Unternehmen überlässt die Betriebssysteme als grundlegende Infrastruktur den anderen Firmen – also Google – und übernimmt stattdessen die wichtigsten Apps – die, die jeder benutzt.

WhatsApp ersetzt die SMS

WhatsApp ist dafür das Paradebeispiel. Zwar hat auch Facebook einen eigenen Messenger, aber WhatsApp hat jetzt schon 450 Millionen Nutzer. Mehr als 300 Millionen von ihnen versenden täglich Nachrichten über die App. Und da ist noch  Luft nach oben: WhatsApp kann vor allem in Entwicklungsländern noch mächtig zulegen – also dort, wo auch Facebook selbst noch am meisten Wachstumspotenzial hat.

WhatsApp kostet Nutzer nur einen Dollar, und das auch erst ab dem zweiten Jahr. So kann die App in südamerikanischen, asiatischen und afrikanischen Ländern die teure SMS ersetzen, die Mutter aller Standard-Anwendungen von Mobiltelefonen. Der Wettbewerb in diesen Ländern ist jedenfalls in vollem Gange: Andere Apps wie Viber, ein Dienst, der gerade erst für 900 Millionen Dollar von der japanischen Firma Rakuten gekauft wurde, Line oder WeChat erreichen ebenfalls Millionen von Nutzer.

Mit Einnahmen kann Facebook zunächst nicht rechnen

Was aber hat Facebook konkret von dem Geschäft? Ist WhatsApp einfach ein weiteres Standbein, ein direkter Draht zu möglichst vielen und vor allem auch jungen Menschen auf der Welt? Das entspräche der erklärten Mission von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, möglichst viele Menschen miteinander zu verbinden. Aber eine Mission ist nie das einzige Ziel eines börsennotierten Unternehmens.

Will Facebook eine sichere alternative Einnahmequelle aufbauen? Vorerst kann es nicht mit Einnahmen rechnen. Noch macht WhatsApp keinen Gewinn, die App ist werbefrei und kostet kaum etwas. Mitgründer Jan Koum sagte vor wenigen Tagen im Interview mit dem Focus: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jeder auf diesem Planeten ein Smartphone in der Hand hat. Rechnen Sie mal mit fünf Milliarden Geräten. Wenn alle einen Dollar im Jahr an uns zahlen, dann ist das viel Geld."

Oder will Facebook einfach nur noch mehr Daten sammeln? Immerhin behält sich WhatsApp in seinen Datenschutzrichtlinien vor, Nutzerdaten an eine neue Mutterfirma weiterzugeben. Und WhatsApp hat 450 Millionen Telefonnummern in seiner Datenbank. Dazu kommen noch die kompletten Adressbücher der Nutzer. Diese Nummern kann Facebook zumindest indirekt für Werbezwecke nutzen. Wie es das bisher mit den selbst zusammengetragenen Telefonnummern seiner Nutzer gemacht hat, hat golem.de in diesem Artikel beschrieben.

"Wir wollen so wenig wissen wie möglich"

Wer die Android-Version installiert, sieht die weitreichenden Berechtigungen, die WhatsApp fordert: Zugriff auf andere Apps, Speicher, Kamera, Mikrofon, Standortdaten. All das ist für Sprachnachrichten oder den Versand von Fotos teilweise notwendig, aber eben nur teilweise.

Theoretisch könnte WhatsApp sogar die Nachrichten seiner Nutzer analysieren. Der Versand erfolgt nach Angaben von WhatsApp zwar verschlüsselt, aber nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt wie es andere Apps wie Threema oder Surespot anbieten. WhatsApp selbst hat die Schlüssel. An der Datenanalyse sind die WhatsApp-Gründer nach eigenen Angaben nicht interessiert: "Unser Modell basiert ja eben nicht darauf, möglichst viel über unsere Nutzer zu wissen und Daten zu sammeln. Wir kennen nur seine Telefonnummer. Aber wir speichern die Nachrichten nicht", sagt Koum. Man kenne weder die Namen der Nutzer noch ihr Alter, ihr Geschlecht oder ihre Adresse. Man wisse nicht, wie sie ihr Geld ausgeben, wo sie wohnen oder was sie essen. "Das interessiert uns auch alles nicht. Wir wollen so wenig wissen wie möglich", sagt der Firmenchef.

Facebook wird WhatsApp mit seiner Plattform verbinden wollen

Facebook muss jetzt entscheiden, ob das so bleiben wird. Es muss früher oder später einen Weg finden, WhatsApp mit der eigenen großen Facebook-Plattform zu verzahnen, ohne die Nutzer abzuschrecken. Was beiden Communitys gemein ist: Die Nutzer interessieren sich bislang kaum für Sicherheitsfragen und den Verbleib ihrer Daten.          

WhatsApp ist werbefrei und soll es bleiben. Das sagen derzeit beide Seiten. Manche sagen, das werde sich ändern. Aber Anzeigen innerhalb von WhatsApp widersprechen dem Grundprinzip der WhatsApp-Gründer Jan Koum und Brian Acton. Es lautet "No ads, no games, no gimmicks" – keine Anzeigen, keine Spiele, keine Spielereien.

Die beiden wissen: Wenn ihre App anfängt zu nerven, suchen sich die Nutzer eine Alternative. Deshalb schreiben sie in ihrem Blog: "Here’s what will change for you, our users: nothing." 

WhatsApp soll also bleiben, wie es ist. Die Frage ist, wie lange das möglich ist Und: Sieht das der neue Besitzer Facebook auch so?

Dieser Artikel erschien zuerst bei Zeit Online.

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