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Wirtschaft: Der Diamantenmarkt blickt auf harte Zeiten zurück

JOHANNESBURG . Einen schwierigeren Start hätte Nicholas "Nicky" Oppenheimer kaum haben können.

JOHANNESBURG . Einen schwierigeren Start hätte Nicholas "Nicky" Oppenheimer kaum haben können. Vor gut einem Jahr hatte er den Posten des Vorstandsvorsitzenden von De Beers übernommen. Wenig später sah sich das südafrikanische Familienimperium der schwersten Krise gegenüber, die das Diamantenunternehmen seit seiner Gründung durch Nickys Großvater Ernest vor 70 Jahren erlebt hat: Die Wirtschaftsmisere in Asien hat der Diamantenindustrie und seinem Flaggschiff De Beers wirtschaftlich schweren Schaden zugefügt.

Im März mußte die Gruppe für das abgelaufene Geschäftsjahr einen Gewinneinbruch von fast 40 Prozent verkünden. Den steilen Anstieg des Aktienkurses, der sich seit dem vergangenen Dezember verdoppelt hat, konnte die schlechte Kunde freilich nicht bremsen. Denn die Anzeichen für eine durchgreifende Erholung am Diamantenmarkt mehren sich. Vor allem in den USA steigen die Verkäufe. Erfreulich verlief für De Beers aber auch seine Anfang Juni in London abgehaltene fünfte Verkaufsveranstaltung, die in Fachkreisen als "sight" bezeichnet wird: Dabei lagen die Verkäufe mit 500 Mill. Dollar um 33 Prozent über denen im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das Unternehmen verkauft seine gesamten Rohdiamanten alljährlich auf zehn solcher "sights" - und die vergangenen sechs verzeichneten ausnahmslos steigende Preise.

Nach einer längeren Durstrecke soll deshalb auch der De-Beers-Gewinn in den kommenden beiden Jahren wieder um 30 beziehungsweise 25 Prozent steigen. Und schließlich dürfte der Konzern von einer Übereinkunft profitieren, die es ihm erlaubt, über ein Drittel der Produktion von Kanadas größter Diamantenmine Ekati künftig durch sein Diamantenkartell zu vermarkten. Ekati wird von De Beers australischem Konkurrenten Broken Hill Proprietry (BHP) kontrolliert. Vor der Übereinkunft hatten die Südafrikaner befürchtet, die neue Mine könnte die von ihr pro Jahr geförderten vier Mill. Karat - dies entspricht fünf Prozent der gesamten Weltproduktion - fast völlig an De Beers Diamantenkartell vorbeilaufen lassen und damit den angeschlagenen Markt weiter schwächen.

Die Übereinkunft ist ein weiteres Indiz dafür, daß das mehrfach totgesagte, inzwischen aber mehr als 60 Jahre alte Diamantenkartell vielleicht doch noch längere Zeit überleben könnte. Immer wieder hatten Beobachter sein baldiges Ende prophezeit.

Der De Beers-Konzern fördert die edlen Steine in vielen Ländern und kontrolliert durch seine in London ansässige Zentrale Verkaufsorganisation (CSO) mehr als 70 Prozent des weltweiten Handels mit Rohdiamanten. Vor allem im Bereich von Schmuckdiamanten sorgt das Kartell für Preisstabilität. In den vergangenen Jahren hat De Beers seine Dominanz jedoch zunehmend verloren und die Kosten für seinen Erhalt sind äußerst hoch: Allein 1998 stieg die mittel- bis langfristige Kreditaufnahme von De Beers durch den Aufkauf überschüssiger Steine von 886 Mill. Dollar auf 1,4 Mrd. Dollar. Insgesamt sind die Diamantenvorräte des Konzerns inzwischen fast fünf Mrd. Dollar wert.

In dem Wissen, daß De Beers stets die überschüssigen Steine erwirbt, haben sich in den vergangenen Jahren aber immer mehr Diamantenproduzenten dazu entschlossen, ihre Steine unter Umgehung der CSO zu verkaufen. Dies hat Spekulationen genährt, wonach sich die Südafrikaner künftig verstärkt auf ihre Rolle als Diamantenproduzent beschränken und auf die Vermarktung der eigenen Edelsteine konzentrieren würden. Bereits jetzt zeichnen sich in der Unternehmensstruktur größere Veränderungen ab: Ende Februar wurde von De Beers offiziell bestätigt, daß der Konzern bis August die Profitabilität und Marktposition aller Geschäftsbereiche einer kritischen Prüfung unterzieht. Ziel ist es, sich noch stärker als bisher dem Kerngeschäft im Bergbau und Diamantenverkauf zu widmen. Für dieses Jahr setzt De Beers seine Hoffnungen auf die USA und das Jahr 2000. Der anhaltende Boom an der Wall Street und die robuste US-Konjunktur haben dem Diamantenmarkt in Nordamerika starken Auftrieb gegeben: Nachdem die Verkäufe in den USA bereits 1997 um neun Prozent auf 10 Mrd. Dollar zugelegt hatten, stiegen sie im vergangenen Jahr um weitere acht Prozent und machen damit inzwischen 46 Prozent des Weltumsatzes in Schmuckdiamanten aus. 1996 betrug der Anteil noch knapp 33 Prozent. Im Gegensatz dazu ist der Absatz in Japan, dem weltweit zweitgrößten Schmuckmarkt, im vergangenen Jahr um 19 Prozent gefallen. Die Rezession hat dazu geführt, daß dort inzwischen weniger als 20 Prozent aller verarbeiteten Diamanten verkauft werden. 1996 nahm Nippon noch fast jeden dritten Edelstein ab. Daneben ist De Beers davon überzeugt, daß viele Paare ihre Heirat auf das Jahr 2000 legen und zu diesem Anlaß Diamanten kaufen werden.

Tatsächlich scheint De Beers zusehends an Glanz zu gewinnen: Bei einer Erholung der Weltwirtschaft wäre für die Firma zudem ihr Diamantenvorrat ein großer Pluspunkt. Doch lauern zwei Risiken: Stiege die Diamantennachfrage, würden auch die Verkäufe, die an der CSO vorbeilaufen, wieder zunehmen. Zudem baut De Beers sehr stark auf eine boomende US-Wirtschaft und ist damit - zumindest kurzfristig - von einem einzigen Markt abhängig.

Noch sind Nicky Oppenheimer und sein Unternehmen folglich nicht über den Berg. Doch dem vollbärtigen Mann, der sich in seiner legeren Art stark von seinem belesenen Vater Harry und dem im hessischen Friedberg geborenen Unternehmensgründer Ernest (Ernst) unterscheidet, sind Selbstzweifel fremd. Vielleicht liegt dies auch daran, daß seine Leidenschaft nicht nur den Diamanten sondern auch dem Cricket gilt. Auf seinem Schreibtisch liegt stets eine dicke Mappe mit einer für einen Konzernchef eher ungewöhnlichen Aufschrift: "Was ich vor dem Cricket noch erledigen muß".

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