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Wirtschaft: Der Große Preis von Aprilia

Piaggio oder Ducati: Wer macht das Rennen um den Motorradkonzern?

Rom - Einen noch härteren Schlag konnte sich Ivano Beggio nicht vorstellen. Da hatte er in Noale, 20 Kilometer westlich von Venedig, die alte Fahrradfabrik seines Vaters in eine Motorradfirma umgewandelt. Da hatte er höchst erfolgreiche Roller gebaut und Kultmarken wie den „Amico 50“ oder den „Scarabeo“ erfunden. Allein in den neunziger Jahren hatte er den Umsatz von Aprilia verzehnfacht und war Europas zweitgrößter Scooter-Bauer geworden. Dann hatte Beggio es im Rennsport gewagt, die übermächtigen Japaner herauszufordern. Pokale reihenweise und zwei Dutzend Weltcups – Stichwort: Valentino Rossi – hatte er für Italien eingefahren. Und dann das: Im Frühjahr 2004 krachte Aprilia zusammen. Hätten die Banken nicht in letzter Minute einen Überbrückungskredit von 30 Millionen Euro ausgegeben, dann gäbe es Aprilia jetzt nicht mehr.

Nur knüpften die Banker ihre Hilfe an zwei Bedingungen: Aprilia sollte nicht allein weiterleben, und der 59-jährige Ivano Beggio, Gründer, Freak, Motor und Alleininhaber des Unternehmens, musste gehen. Als er die Tür hinter sich zumachte, versetzte ihm der als Nachfolger eingesetzte Franco Cattaneo auch noch einen Tritt: Beggio sei „zu einer Finanzplanung vollkommen unfähig“ gewesen.

Zwei weitere Gründe werden für die Notlage von Aprilia genannt. Nach einem gigantischen Boom motorisierter Zweiräder in Italien – zwischen 1996 und 2000 hatten sich die Verkaufszahlen mehr als verfünffacht – war der Markt von 2001 an wieder um mehr als ein Drittel eingebrochen. Genau rechtzeitig zur Krise indes, im Jahr 2000, hatte Aprilia für 65 Millionen Euro das 79-jährige Traditionshaus Moto Guzzi gekauft und sich damit wohl übernommen. Letzter Stand der Dinge bei Aprilia: mehr als 220 Millionen Euro Schulden, dazu der finanzielle Druck einer Anleihe von 100 Millionen, die 2005 zurückgezahlt werden muss, und im Jahr 2003 ein Verlust von 43 Millionen Euro bei einem Umsatz von 584 Millionen.

Die Retter oder, aus anderem Blickwinkel, die Geier kreisen schon lange um Noale. Bereits vor einem Jahr hatte der einschlägig bekannte Finanzinvestor Roberto Colaninno ein Auge auf Aprilia geworfen, aber nicht nur das: Colaninno, der vor fünf Jahren mit der feindlichen Übernahme der Telecom Italia für Furore gesorgt hatte, der sich danach zur Entrüstung der elitären Gründerfamilie Agnelli den Fiat-Konzern unter den Nagel reißen wollte – er bekundete nun sein Interesse an einem „großen italienischen Zweirad-Pool“.

Einen Bestandteil hat Colaninno vor elf Monaten bereits erobert. Für 100 Millionen Euro hat er die Regentschaft bei Piaggio übernommen, dem Marktführer und – mit der Marke Vespa – dem Inbegriff italienischer Roller-Kultur. Colaninno und seine Holding Immsi, zu der auch noch ein sizilianischer Schiffsbauer gehört, haben sich dabei einer verschachtelten Konstruktion und unter anderem des niederländischen Gesellschaftsrechts bedient.

Mittlerweile verkündet ein selbstbewusster Roberto Colaninno für Piaggio  erfreuliche Zahlen. Eine Milliarde Umsatz und 650 Millionen Euro Schulden hatte der Konzern aus dem toskanischen Pontedera bei Verkaufszahlen von zuletzt 350000 Fahrzeugen pro Jahr. Im ersten Quartal 2004 dagegen seien die Verluste gegenüber 2003 auf etwa ein Fünftel (6,6 Millionen Euro) zurückgefahren worden.

Neben Colaninno/Piaggio hat sich auch der Ducati-Konzern um Aprilia beworben – wobei es die selbstbewussten Italiener ganz natürlich finden, dass sich die ausländische Konkurrenz so gut wie gar nicht für Aprilia interessiert. Ducati, das pro Jahr etwa 40000 schwere Maschinen baut, fände im Mofa- und Roller-Geschäft von Aprilia eine ihm bisher fehlende Ergänzung. Andererseits besagen Gerüchte, die Bologneser seien lediglich an Moto Guzzi interessiert. Das beunruhigt natürlich die rund 1000 Beschäftigten, die Aprilia-Roller bauen. „Bei Aprilia“, so sagte Ducati-Geschäftsführer Federico Menoli, „gibt es eine Sache, die mir gefällt. Guzzi. Man könnte es zu einer italienischen Harley-Davidson machen.“

Die erste Verhandlungsrunde hat Colaninno gewonnen. Die Banken begünstigen ihn; die mächtigen Gewerkschaften neigen zu Ducati. Am kommenden Wochenende wird das Finale ausgetragen. Kopf an Kopf.

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