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Wirtschaft: Der Herr der Ringe

Berthold Beitz wird 90 Jahre alt – für den Krupp-Konzern war er mehr als ein Eigentümer

Der Jubilar hat einen seltenen Beruf: Berthold Beitz ist Vollstrecker. Auf diesen Titel legt er großen Wert, nicht Unternehmer, nicht Manager. Berthold Beitz vollstreckt - und zwar das Vermächtnis der Industriellenfamilie Krupp. Genauer gesagt nur das Erbe des 1967 verstorbenen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Denn die anderen Von-Bohlen-und-Halbachs (immer ohne den Zusatz Krupp) liegen im Streit mit Beitz. Sie fühlen sich entmachtet.

Trotzdem werden die Nachfahren des Firmengründers Friedrich Krupp am Freitag dem 90-jährigen Berthold Beitz ihre Aufwartung machen, gemeinsam mit viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft. Der Verwalter des kruppschen Erbes feiert Geburtstag – natürlich in der pompösen „Villa Hügel“ im grünen Süden der alten Industriestadt Essen. Beitz zählt zu den letzten Vertretern einer vergangenen Wirtschaftsepoche, die durch Kohle und Stahl geprägt war und in der noch Unternehmerdynastien den Ton angaben. Alfried Krupp lebte in Berthold Beitz weiter, obwohl der mit ihm weder verwandt noch verschwägert war. Doch als Testamentsvollstrecker des letzten Krupp war Beitz nicht nur erster Mann des Industrieimperiums an der Ruhr, sondern zugleich Sachwalter des Kruppschen Erbes. An Beitz führte über Jahrzehnte im Hause Krupp kein Weg vorbei.

Im Jahre 1952 hatten sich Beitz und Krupp eher zufällig beim Besuch des Bildhauers Jean Sprengler kennen gelernt. Schon wenige Monate später beförderte Alfried Krupp – gerade von den Alliierten aus der Haft entlassen – den jungen Versicherungsmanager Beitz zum Generalbevollmächtigten seines Stahlkonzerns. Ausgestattet mit dem damals respektablen Gehalt von 180 000 Mark. Noch heute wacht der in Vorpommern geborene Beitz als Kuratoriums-Vorsitzender der Krupp-Stiftung über das Erbe. Und zwar allein und auf Lebenszeit. Denn Krupps Testament schloss die Mitwirkung von Familienmitgliedern im Unternehmen konsequent aus. Nicht einmal Beitz weiß, was den alten Krupp dazu bewogen hat. Versuche der vor 50 Jahren abgefundenen Erben, sich mit Sitz und Stimme in die Stiftung einzuklagen, schlugen später fehl.

Beitz schrieb Geschichte bei dem Essener Industriekonzern: 1976 beispielsweise, als er dem Schah von Persien 25 Prozent der Krupp-Aktien für 1,3 Milliarden Mark verkaufte – und das nur per Händedruck. Damals ein unerhörter Vorgang, die Furcht vor dem Ausverkauf der deutschen Industrie ging um. Doch Beitz brauchte das Geld. Seit den 60er Jahren leidet Krupp unter seiner schwachen Kapitaldecke. An der Übernahme des schärfsten Gegenspielers, Thyssen, hätte sich Krupp 1997 fast verhoben. Zum Glück ist am Ende die friedliche Fusion statt der anfangs geplanten feindlichen Übernahme durch Krupp zu Stande gekommen.

Krupp brach mit dem Vorstoß jedoch die Regeln der Deutschland AG. Ein anderes Unternehmen gegen seinen Willen zu kaufen, war bis dahin undenkbar. Treibende Kraft war Vorstandschef Gerhard Cromme, Beitz agierte nur noch im Hintergrund. Es wäre auch nicht sein Stil. „Cromme“, sagt Beitz nüchtern, „ist ein Glücksfall für diese Firma.“ Was Manager wie Cromme, aber auch die Börse, in den letzten Jahren an Einfluss auf den Industrieriesen Krupp gewonnen haben, hat Beitz allerdings an Macht verloren. Die von ihm geführte Stiftung ist zwar immer noch größter Aktionär der neuen Thyssen Krupp AG, doch die Mehrheit ist verloren.

Chef der Krupp-Stiftung zu sein, bedeutet aber auch gesellschaftliches Engagement. Seinen Beinamen „Herr der Ringe“ trägt Beitz nicht nur wegen der drei verschlungenen Ringe im Firmensymbol. 1972 wurde er in das Internationale Olympische Komitee (IOC) berufen. Der passionierte Wassersportler organisierte im selben Jahr die Segel-Wettbewerbe in Kiel und ist heute Ehrenmitglied im IOC und im Nationalen Olympischen Komitee (NOK). Ihre Dividenden investiert die Stiftung in Krankenhäuser, Forschungsprojekte und natürlich in den Sport.

Über sich selbst sagt Beitz, dass er „nicht der letzte Krupp, sondern der letzte Beitz ist“. Diese Distanz ist ihm wichtig. Nur so ist auch zu verstehen, dass derselbe Beitz, der im Krieg Juden vor der Naziverfolgung rettete, später der Testamentsvollstrecker bei der Nazi-Waffenschmiede Krupp werden konnte.

Dieter Fockenbrock

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