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Wirtschaft: Der lange Abschied von der Ich-AG

Die SPD will die Förderung für arbeitslose Existenzgründer retten, die Union fürchtet Abzocke

Berlin – Arbeitslose sollen sich auch nach dem Aus der Ich-AG weiter mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit (BA) selbstständig machen können. Die große Koalition will voraussichtlich bis Ostern klären, welches Instrument der Ich-AG folgen soll, die Ende Juni 2006 abgeschafft wird. Zwischen den Koalitionspartnern gibt es aber noch deutliche Differenzen: Während die SPD darauf pocht, dass alle Arbeitslosen einen Anspruch auf die Förderung haben sollen, will die Union dies ins Ermessen der Arbeitsvermittler stellen. Das könnte dazu führen, dass weniger Arbeitslose als bisher unterstützt würden.

Zur Förderung der Selbstständigkeit gibt es derzeit die Ich-AG, die 2003 mit den Hartz-Reformen am Arbeitsmarkt eingeführt wurde. Die Arbeitsagentur zahlt für maximal drei Jahre einen Zuschuss: im ersten Jahr 600 Euro im Monat, im zweiten 360 Euro und im dritten 240 Euro. Wer Arbeitslosengeld I bezieht, kann außerdem das Überbrückungsgeld beantragen: Für sechs Monate erhält der Betroffene einen Zuschuss in Höhe des Arbeitslosengelds. SPD und Union haben vereinbart, beide Instrumente bis zum Sommer zu einem zusammenzufassen.

Die Sozialdemokraten drängen darauf, dass der Umfang der Förderung nicht nennenswert verringert wird. Im Januar dieses Jahres unterstützte die Bundesagentur gut 291 000 Existenzgründer, davon etwa 68 000 Personen mit Überbrückunsgeld und 223 000 Personen mit einer Ich-AG. „Existenzgründung aus Arbeitslosigkeit muss ein wichtiges Projekt bleiben“, fordert SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Er spricht sich dafür aus, dass das neue Instrument eine Pflichtleistung bleibt. Das bedeutet: Wenn ein Arbeitsloser einen geprüften Geschäftsplan vorlegt, hat er auch Anspruch auf den Zuschuss. Dafür gibt es auch im Arbeitsministerium von Franz Müntefering (SPD) große Sympathien. Im vergangenen Jahr lagen die Ausgaben der BA für die Förderung von Ich-AGs und Überbrückungsgeld bei rund 3,2 Milliarden Euro – 850 Millionen Euro mehr, als die Behörde vorgesehen hatte. Beide Instrumente sind derzeit Pflichtleistungen.

Die Unions-Fraktion fürchtet, dass zu viele Arbeitslose das neue Instrument ausnutzen könnten. „Wenn jeder einen Existenzgründungszuschuss beantragen kann, ist die Gefahr von Mitnahmeeffekten groß“, sagt der arbeitsmarktpolitische Sprecher Ralf Brauksiepe (CDU). Sein Kollege, der CDU-Wirtschaftspolitiker Laurenz Meyer, fordert, aus dem neuen Instrument eine Ermessensleistung zu machen, über deren Einsatz der Vermittler entscheidet. Meyer fordert die Arbeitsagenturen allerdings auf, in Zukunft „jeden Arbeitslosen zu fördern, der ein schlüssiges und durchdachtes Konzept vorlegt“. In der SPD gibt es jedoch Befürchtungen, dass die Vermittler angesichts der Umstrukturierung der Behörde mit der Entscheidung überfordert sein könnten: „Die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen können nicht immer beurteilen, ob eine Existenzgründung sinnvoll ist“, sagt der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner.

Der neue Zuschuss soll nach den Vorstellungen der Koalitionspartner eher dem Überbrückungsgeld ähneln als der Ich-AG. Das heißt: Gefördert wird für eine begrenzte Dauer. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Meyer bezeichnete es außerdem als vernünftig, möglichst bei Beginn der Arbeitslosigkeit Existenzgründungen zu fördern. „Wenn jemand länger als ein Jahr arbeitslos war, sind die Erfolgschancen nicht mehr so hoch“, sagte er. Die Erfahrungen mit dem Überbrückungsgeld seien gut. Meyer verweist darauf, dass die Überlebensquoten der Existenzgründungen aus Not bei drohender Arbeitslosigkeit höher seien als bei Existenzgründungen im Durchschnitt.

Einig sind sich die Koalitionspartner darin, dass Existenzgründer in Zukunft besser beraten werden sollen: „Wir brauchen zusätzlich zur finanziellen Unterstützung kaufmännische Kurse“, fordert SPD-Fraktionsvize Stiegler. Dafür solle die Bundesagentur etwa mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder den Handelskammern kooperieren. „Es wäre gut, wenn ein Teil der Unterstützung Beratung sein könnte“, sagt auch sein CDU- Kollege Meyer. So gebe es gerade in technischen oder handwerklichen Berufen viele Menschen, die sich selbstständig machen, denen aber die kaufmännischen Kenntnisse fehlten.

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