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Wirtschaft: Der nächste Gipfel

Deutsche Aktien sind gefragt, aber nicht mehr billig: An der Börse geht es bergauf – Experten warnen vor „gefährlicher Gelassenheit“.

Berlin/Frankfurt am Main - Die Rechnung ist aufgegangen: Anleger, die darauf gewettet hatten, dass der Dax die 9000-Punkte-Marke noch in diesem Jahr überspringt, feierten am Freitag den historischen Moment. Gegen 13.19 Uhr erschien auf der Kurstafel der Frankfurter Börse erstmals in der 25-jährigen Geschichte des Deutschen Aktienindex die symbolträchtige Zahl: 9000. Seit Jahresanfang hat der Dax damit mehr als 1200 Punkte oder gut 18 Prozent gewonnen. Seit Anfang 2012 sind es sogar mehr als 50 Prozent.

Trotz der üppigen Gewinne brach an der Börse kein Jubel aus. Bis zum Abend fiel der Dax wieder zurück. Von Euphorie, die häufig ein Zeichen für Übertreibungen ist, war nichts zu spüren. „Steigende Kurse und sinkende Stimmung“, umschrieb Gianni Hirschmüller vom Analysehaus Cognitrend die Lage. Auch auf den Chefetagen der Unternehmen schaut man ein wenig zurückhaltender in die Zukunft: Der Geschäftsklima-Index des Ifo-Instituts gab im Oktober unerwartet nach und sank nach zuletzt fünf Anstiegen in Folge von 107,7 auf 107,4 Punkte.

Die Frage, die sich viele an der Börse nach Erreichen der 9000 Dax-Punkte stellen: Geht der Aufschwung weiter – oder endet der fast vier Jahre dauernde Zyklus steigender Kurse jetzt?

Der Optimismus der institutionellen Investoren, also bei Großanlegern wie Fonds, Versicherungen und Pensionskassen, sei „vollständig verflogen“, berichtet Hirschmüller. Auch Privatanleger hielten sich eher zurück. Hinter sehr pessimistischen oder optimistischen Äußerungen der Profis steckt allerdings häufig Kalkül: Jubeln einflussreiche Investoren die Kurse nach oben, hoffen sie meist auf einen günstigen Zeitpunkt zum Verkauf ihrer Aktien. Wird mehrheitlich mit Verlusten gerechnet, setzen die Anleger auf niedrigere Kurse, um Aktien zu kaufen. Angesichts der eher gedämpften Stimmung erwarten die meisten Experten weiter steigende Kurse. Sogar die Marke von 10 000 Zählern wird jetzt ins Auge gefasst.

Das Umfeld für Aktien bleibt tatsächlich günstig: Die Notenbanken in den USA, in Europa und Japan lassen nicht erkennen, dass sie die geldpolitischen Zügel in Kürze anziehen werden. Die US-Notenbank werde zwar ihre Käufe von Staatsanleihen reduzieren, aber die Zinsen vor Mitte 2015 nicht erhöhen, hatte Asoka Wöhrmann, Ko-Anlagechef bei der DWS, der Anlagegesellschaft der Deutschen Bank, dem Tagesspiegel Anfang der Woche gesagt. Auch bei kleineren Vermögensverwaltern ist man zuversichtlich. Die Alternativen seien derzeit rar, betont Martin Schneider von Schaan Investment. „Besser als festverzinsliche Wertpapiere sind in der derzeitigen Phase niedrig bewertete, solide Aktien, die über ansehnliche Ausschüttungen eine gute Dividendenrendite abwerfen.“ Schneider erwartet auch, dass sich Fonds, Pensionskassen und Versicherungen verstärkt am Aktienmarkt engagieren. Mit Anleihen könnten sie die für sie notwendige Rendite nicht erwirtschaften. „2014 kann im Dax eine fünfstellige Zahl erreicht werden.“

Auch der nur vorläufig beigelegte Budgetstreit in den USA, der Anfang 2014 wieder ausbrechen könnte, dürfte hiesigen Aktien Rückenwind geben – der Dollar schwächelt, Geld fließt nach Europa. Gleichwohl: Die Risiken sind nicht aus der Welt, zumal nicht wenige Experten glauben, dass Aktien nach den Kursgewinnen inzwischen überbewertet sind. „Dividendentitel sind alles andere als billig“, sagt Markus Reinwand von der Helaba. Auch in Europa sei die Schuldenkrise nicht überwunden. Nicht nur Reinwand sieht an der Börse eine „gefährliche Gelassenheit“. Viel wird in der laufenden Berichtssaison von den Geschäftszahlen der Konzerne abhängen. „Der weitere Geschäftsverlauf wird von den Unternehmen etwas weniger optimistisch als im Vormonat beurteilt“, sagte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Die Lage werde von den Firmen nur ein klein wenig schlechter bewertet. „Sie ist jedoch weiterhin überdurchschnittlich.“

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