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Wirtschaft: Der neue Schröder

EDITORIALS Welch einen Unterschied ein Jahr doch ausmacht. Im September 2002 attackierte Bundeskanzler Gerhard Schröder die amerikanische IrakPolitik aus politischem Kalkül.

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Welch einen Unterschied ein Jahr doch ausmacht. Im September 2002 attackierte Bundeskanzler Gerhard Schröder die amerikanische IrakPolitik aus politischem Kalkül. Derzeit scheut der Kanzler keine Mühen, sich als loyaler Verbündeter der USA zu präsentieren. Im Gespräch mit dem Wall Street Journal sagte Schröder, er würde den Erlass eines Teils der fünf Milliarden Euro, die der Irak Deutschland schuldet, als Beitrag zum Wiederaufbau des Landes befürworten. Den Irak von dieser Last zu befreien, wäre in der Tat ein bedeutender Beitrag. Das Angebot eines Schuldenerlasses ist das jüngste in einer Reihe von Signalen dafür, dass Deutschland die Beziehungen zu den USA wieder ins Lot zu bringen versucht.

In wirtschaftlichen Belangen befürwortet Schröder unterdessen zunehmend Steuersenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Obwohl Deutschland genau wie Frankreich die vom EU-Stabilitätspakt vorgegebene Defizitgrenze von drei Prozent im laufenden Jahr erneut überschreiten wird, drängt der Kanzler auf eine Reform, die die Einkommensteuer senken soll. Sein jüngstes Reformpaket, das neben den Steuersenkungen auch die Kürzung von Sozialleistungen enthält, wurde zwar vor zwei Wochen von der Opposition im Bundesrat gestoppt, doch ein Kompromiss könnte noch ausgearbeitet werden. Damit ähnelt die Steuerpolitik Gerhard Schröders mehr und mehr der von US-Präsident George W. Bush.

Als friedenssichernde Maßnahme hat Deutschland ein starkes Truppenkontingent in Afghanistan stationiert, das zweitgrößte nach den USA. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Deutschen Truppen in den Irak schicken würden – und die USA haben bislang nicht darum gebeten. Die Obstruktionspolitik seines EU-Partners Jacques Chirac hat Schröder allerdings aufgegeben. Was das Nato-Bündnis angeht, ist aus Berlin Versöhnliches zu vernehmen. Als Schröder 1998 sein Amt antrat, wurden Vergleiche mit Tony Blair und anderen linken Politikern des „Dritten Wegs“ gezogen. Seither bewegt er sich auf politischem Schlingerkurs. Aber immerhin ist er – zumindest vorläufig – zu der konstruktiven Rolle in der Nordatlantischen Allianz zurückgekehrt, die Deutschlands Verhalten nach dem Zweiten Weltkrieg überwiegend bestimmt hat. Das ist ein gutes Zeichen.

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