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Wirtschaft: Der Ölpreis sinkt erst nach der Krise

Wilhelm Bonse-Geuking, Chef von BP-Deutschland: Versorgungsengpässe drohen aber nicht

Berlin (hop). Die Versorgung Deutschlands mit Öl ist durch den drohenden IrakKrieg nicht gefährdet. „Sie ist sicher. Es besteht kein Anlass zur Sorge“, sagte Wilhelm Bonse-Geuking, Präsident des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) und Deutschlandchef des Ölkonzerns BP-Aral, am Donnerstag dem Tagesspiegel. Mit deutlich sinkenden Öl- und Benzinpreisen rechne er erst mit dem Ende der Irak-Krise. Wegen der hohen Preise verzeichnete der Verband seit Jahresanfang einen deutlichen Absatzeinbruch bei Treibstoffen in Deutschland.

Zurzeit gebe es in Deutschland genügend Öl für rund 120 Tage, sagte Bonse-Geuking – „für die volle Versorgung, selbst wenn die Lieferungen komplett ausfallen“. Gesetzlich vorgeschrieben seien Vorräte für 90 Tage, hinzu kämen eigene Bestände der Ölkonzerne. Auch die privaten Verbraucher hätten vorgesorgt und bereits Heizöl von durchschnittlich deutlich mehr als 50 Prozent des Verbrauchs gelagert.

Es sei aber unwahrscheinlich, dass die Lieferungen komplett ausfielen, sagte Bonse-Geuking. Er verwies darauf, dass von den 104 Millionen Tonnen Öl, die Deutschland im vergangenen Jahr eingeführt hat, lediglich 20 Millionen Tonnen aus Mitgliedsländern der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) stammten. Rund zwei Drittel der Importe kamen aus Ölfeldern der Nordsee und aus Russland. Dementsprechend länger würden im Zweifelsfall auch die vorhandenen Vorräte reichen.

Bonse-Geuking wandte sich auch gegen Befürchtungen, im Falle eines Irak-Krieges könne es Anschläge auch auf deutsche Erdölanlagen geben. „Dafür gibt es keinerlei Anzeichen“, sagte er. Trotzdem stehe die Wirtschaft in einem engen Meinungsaustausch mit den Sicherheitsbehörden.

Nicht nur Deutschland sei ausreichend mit Öl versorgt, sondern auch die gesamten Weltmärkte, sagte Bonse-Geuking. Der Ausfall der irakischen Ölexporte bei Kriegsausbruch könnte durch saudische Lieferungen leicht ausgeglichen werden. Auch die zurzeit niedrigen Ölvorräte in den USA seien nicht sehr kritisch zu sehen. Dort sei zwischenzeitlich wegen landesweiter Streiks der wichtige Lieferant Venezuela weggefallen. Die Lage normalisiere sich jedoch. Bonse Geuking sagte: „Es ist genügend Öl im Anmarsch auf den US-Markt.“ Bloß brauche ein Tanker aus Saudi-Arabien in die USA wesentlich länger als von Südamerika aus.

Die hohen Ölpreise seien daher vor allem psychologisch zu erklären. „Es gibt eine nervöse Anspannung. Jeder guckt nach New York“, sagte Bonse-Geuking. Wie hoch der Ölpreis, der in Europa seit Ende Februar bei etwa 34 Dollar je Barrel (159 Liter) liegt, im Kriegsfall steigen könne, wollte Bonse-Geuking nicht abschätzen. Er verwies auf den ersten Golfkrieg der Alliierten gegen den Irak 1991. Da sei der Ölpreis zunächst in die Höhe geschossen, aber mit den militärischen Erfolgen gegen die irakischen Truppen binnen weniger Stunden auch wieder stark gefallen.

Bei einer Entspannung der Lage im Nahen Osten erwartet die Mineralölwirtschaft im Frühjahr fallende Öl- und Benzinpreise. Das sei jedes Jahr der Fall. Vor diesem Hintergrund sei auch die Entscheidung der Opec zu sehen, die Ölförderung zunächst nicht auszuweiten. „Dann könnten die Preise nach unten durchrauschen“, sagte Bonse-Geuking.

Auch für den im kommenden Jahr erwarteten Wirtschaftsaufschwung habe die Ölwirtschaft ausreichend vorgesorgt, sagte Bonse-Geuking. Spätestens bis Ende 2004 gebe es in nicht Opec-Mitgliederländern wie Russland zusätzliche Förderkapazitäten von zwei Millionen Barrel pro Tag. Insofern habe der hohe Ölpreis der vergangenen Jahre auch etwas Gutes gehabt. Durch die gestiegenen Gewinne bei der Förderung habe er in der Ölbranche einen Investitionsschub ausgelöst.

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