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Wirtschaft: Der Streit um den Nettobeitrag

Deutschland finanziert derzeit rund 30 Prozent des EU-Haushalts.Knapp die Hälfte davon fließen als Agrar- und Strukturbeihilfen wieder nach Deutschland zurück.

Deutschland finanziert derzeit rund 30 Prozent des EU-Haushalts.Knapp die Hälfte davon fließen als Agrar- und Strukturbeihilfen wieder nach Deutschland zurück.Der Rest kommt anderen Mitgliedstaaten - insbesondere Spanien, Portugal, Griechenland und Irland - zugute.Die übrigen Mitgliedstaaten haben weitgehend ausgeglichene Salden von Beiträgen und Rückflüssen.Die deutsche Bundesregierung versucht in den derzeitigen Verhandlungen zur Agenda 2000, in denen der Finanzrahmen für die Osterweiterung abgesteckt wird, eine Nettobeitragssenkung durchzusetzen.Dies will ihr offenbar nicht so recht gelingen.Ihrem Vorhaben steht der sogenannte Eigenmittelbeschluß im Weg.

Im Eigenmittelbeschluß werden die Beitragsregeln für die Mitgliedstaaten festgelegt.Deutschland hat dem heute geltenden Beschluß von 1994 - wohl um des Friedens willen - zugestimmt.Jetzt wird er von der Kommission als faktisch unkündbar angesehen.Diese schreibt in der Agenda 2000: "Der geltende Eigenmittelbeschluß wird in Kraft bleiben, bis er durch einen neuen Beschluß geändert wird.Dabei ist zu berücksichtigen, daß eine Änderung des Eigenmittelbeschlusses von den Mitgliedstaaten nur einstimmig beschlossen werden kann und von den einzelstaatlichen Parlamenten ratifiziert werden muß."

Ein Konsens zugunsten Deutschlands ist kaum in Sicht.Denn jeder Vorschlag, den deutschen Beitrag zu senken, würde automatisch zu einer Mehrbelastung der übrigen Mitgliedstaaten führen und somit deren Ablehnung hervorrufen.Insbesondere kann Deutschland aus der Sicht der Kommission den geltenden Eigenmittelbeschluß nicht einseitig kündigen und dadurch die übrigen Mitgliedstaaten zu Neuverhandlungen zwingen.Deutschland ist in seinem "Ja" von 1994 gefangen.

Was läßt sich tun? Die Bundesregierung drängt zu recht auf eine Begrenzung der Gesamtausgaben.Jeder nicht ausgegebene Euro vermindert den deutschen Beitrag im Durchschnitt um 0,3 Euro.Zugleich verbessert er die deutsche Nettoposition um 0,15 Euro.Außerdem könnte die Bundesregierung den Eigenmittelbeschluß von 1994 einseitig kündigen.Gegebenenfalls könnte Deutschland so einen Punktesieg erzielen und beispielsweise erreichen, daß der Eigenmittelbeschluß wenigstens zu einem festen zukünftigen Zeitpunkt neu verhandelt wird.

Manchmal wird gesagt, Deutschland habe eine moralische Verpflichtung, Nettobeitragszahler zu sein, weil es mehr als andere Länder vom EU-internen Freihandel profitiere.Dies stimmt so nicht: Bezogen auf das Bruttosozialprodukt profitieren insbesondere die entwickelten kleinen Länder wie Belgien, Niederlande, Luxemburg und Dänemark.Wer dem Argument folgt, sollte für diese Länder einen höheren Beitrag in Prozenten ihres Bruttosozialproduktes fordern - und nicht für Deutschland.

Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

CHARLES B.BLANKART

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