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Wirtschaft: Der Winter wird noch härter

Die Arbeitslosenzahl ist zuletzt saisonbereinigt gesunken, doch Experten sehen sie bald wieder über der Fünf-Millionen-Grenze

Berlin – Obwohl die Arbeitslosenzahl im Dezember mit 4,606 Millionen nur gering gestiegen ist, geben Wirtschaftsforscher noch keine Entwarnung. Insgesamt sieht Hilmar Schneider, Leiter des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), zwar einen positiven Trend beim Abbau der Arbeitslosigkeit. Dennoch geht er davon aus, dass die Zahl der Jobsuchenden in den kommenden Wochen erneut die Fünf-Millionen-Marke überschreiten wird. „Im Februar wird die Arbeitslosenzahl voraussichtlich bei 5,1 Millionen liegen“, sagte Schneider dem Tagesspiegel. Das Münchener Ifo-Institut rechnet ebenfalls damit, dass die Fünf-MillionenMarke spätestens im Februar gerissen wird. Beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) beurteilt man die Lage zuversichtlicher. „Die Arbeitslosenzahl wird sicherlich 4,9 Millionen erreichen, aber unter der Fünf-Millionen-Grenze bleiben“, sagte IW-Chef Michael Hüther dem Tagesspiegel. Dafür spreche, dass seit einem halben Jahr die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit rückläufig sei, sagte er.

Auch IZA-Leiter Schneider betonte, dass sich seit Mitte 2005 der Abstand der Arbeitslosenzahlen zu den Vorjahreswerten verringert habe. Insofern seien die Arbeitslosenzahlen im Dezember die logische Fortsetzung dieses Trends. Allerdings gehe der Abbau der Arbeitslosigkeit nicht mit einem Aufbau der Beschäftigung einher. „Die Zahl der Erwerbstätigen mit einer voll sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstelle ist weiterhin rückläufig“, sagte Schneider. Das bedeutet: Obwohl die Arbeitslosigkeit gesunken ist, hat die Zahl der Beschäftigten nicht zugenommen.

Zuletzt hat sich die Arbeitslosenzahl trotz eines leichten Anstiegs besser entwickelt als zum Jahresende üblich. Saisonbereinigt – also unter Herausrechnung von Sonderfaktoren wie der Witterung – sank sie im Dezember sogar um 110 000. Verantwortlich für die vergleichsweise positive Entwicklung sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) die anziehende Konjunktur, weniger Arbeitslosmeldungen aus der Baubranche – bedingt durch den zeitweise milden Winter – sowie die Zunahme der Ein-Euro-Jobs. IZA-Chef Schneider führt vor allem auf Letzteres den Rückgang der statistischen Arbeitslosigkeit zurück. So waren im Dezember mehr als 300 000 Arbeitslosengeld-II-Empfänger als Ein-Euro-Jobber tätig und wurden daher nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik erfasst. „Mit der Zunahme der Ein-Euro-Jobber hat sich auch der Abstand der Arbeitslosenzahlen zum Vorjahr verringert“, sagte Schneider. Waren im März vergangenen Jahres noch 600 000 Menschen mehr arbeitslos gemeldet als vor einem Jahr, so sind es im Dezember nur noch 100 000 gewesen.

In Berlin ist die Zahl der Arbeitslosen im Dezember gestiegen: Rund 297 800 Menschen suchten zum Jahresende eine Stelle. Das waren 704 weniger als im November, aber 10 645 mehr als vor einem Jahr. Von dem Stellenabbau in Berlin war besonders die Baubranche betroffen. Auf dem gesamten Berliner Arbeitsmarkt sind nach Angaben des DGB-Landesverbandes im vergangenen Jahr rund 70 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut worden. Dafür sei Berlin mittlerweile die „Hauptstadt prekärer Beschäftigung“, hieß es beim DGB weiter. So gab es hier allein Ende 2005 mehr als 185 000 Minijobs.

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung im Dezember war das Jahr 2005 mit durchschnittlich 4,863 Millionen Arbeitslosen das schlechteste Jahr seit der Wiedervereinigung. Der Negativ-Rekord war bisher 1997 mit 4,384 Millionen Arbeitslosen verbucht worden. Die Entwicklung der Arbeitslosenzahl in 2005 ist in erster Linie auf den statistischen Effekt durch die Hartz-IV-Reform zurückzuführen: Seit Einführung des Arbeitslosengeldes II werden auch erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Ihre Zahl beziffert die BA auf 330 000.

Anders als sonst gelang es diesmal keinem Medium, die zentralen Daten des offiziellen Monatsberichts bereits am Vortag zu verbreiten. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) nannte am Montagabend zwar die Zahl von 4,63 Millionen Arbeitslosen unter Berufung auf „Informationen aus Kreisen der Bundesagentur für Arbeit“, lag aber daneben. Auch der Tagesspiegel druckte die Meldung. Von dpa-Seite hieß es, die Abweichung sei nicht sehr groß.

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