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Bahn-Proteste

© AFP

Deutsche Bahn: Bürger gegen Bahn-Aktie

Die Bahn bereitet weiter ihren Börsengang vor, die SPD streitet darüber, ob sie den Staatsbetrieb überhaupt abgeben will. Einer Umfrage zufolge lehnen 70 Prozent der Bürger die Privatisierung ab.

Berlin - Gegen den Verkehrslärm des Potsdamer Platzes haben sie keine Chance, aber das ist ihnen egal. Die zwei Dutzend Demonstranten klopfen eifrig auf ihre Sambatrommeln oder halten rot umrandete Verbotsschilder in den Himmel. „Bahnputsch“, „Dumpinglöhne“ oder „Preiswucher“ steht darauf. „Bürgerbahn“, „Volksentscheid“ oder „Netzausbau“ haben sie auf die grün umrandeten Kehrseiten geschrieben. Sie gehören zur Organisation „Bahn für alle“, die eine Privatisierung des Konzerns verhindern will. Hinter ihnen, am Fuß des Bahn-Hochhauses, bewachen grimmig blickende Fahrer die schweren Limousinen, die den Aufsichtsräten der Deutschen Bahn gehören.

Die sitzen am Freitag zur selben Zeit gut 20 Stockwerke über den Demonstranten und lassen sich von Vorstandschef Hartmut Mehdorn über die Vorbereitungen für den Börsengang ins Bild setzen. Eigentlich hatten sie mit einem Beschluss den Startschuss für den Teilverkauf geben wollen. Doch die SPD streitet noch, ob sie den Staatsbetrieb überhaupt abgeben will. „Das Unternehmen, seine Kunden und die Mitarbeiter brauchen Klarheit und Sicherheit“, ließ der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Müller nach der Sitzung erklären. Und Mehdorn ergänzte, der „Erfolg“ könne „bei richtiger Weichenstellung noch ausgebaut werden“.

Zuvor hatte er den Kontrolleuren von den Kennzahlen für 2007 berichtet. 31 Milliarden Euro hat die Bahn eingenommen, eine Milliarde mehr als im Vorjahr – trotz der vielen Streiktage. Nach Steuern und Zinsen blieben 1,7 Milliarden Euro Gewinn übrig. Dazu haben alle Sparten beigetragen, am meisten die Nahverkehrstochter DB Regio. Am Montag will Mehdorn die Zahlen offiziell vorstellen.

Die Mehrheit der Deutschen hat er jedenfalls gegen sich. 70 Prozent lehnen jede Kapitalprivatisierung ab, heißt es in einer Emnid-Umfrage im Auftrag von „Bahn für alle“ vom Freitag. Sogar 73 Prozent der SPD-Anhänger seien dagegen und 64 Prozent der CDU/CSU-Sympathisanten, heißt es in der repräsentativen Studie unter 1006 Bürgern.

Ob die Demonstranten oder doch Mehdorn ihren Willen bekommen, darüber berät ab Montag eine Arbeitsgruppe der SPD. Unter der Leitung von Parteichef Kurt Beck soll sie eine Privatisierungsvariante finden, die sowohl die Parteilinke als auch die konservativen Sozialdemokraten und im Idealfall gar den Koalitionspartner Union zufriedenstellt. Hintergrund: Nach einer Idee von Finanzminister Peer Steinbrück soll die Bahn zwar beim Staat bleiben, Private aber an einer Holding beteiligen können, in der die Transporttöchter konzentriert sind. Der SPD-Parteitag im Herbst 2007 hatte indes verlangt, dass Privatinvestoren keinen Einfluss auf die Firmenpolitik bekommen sollten. Dies solle durch den Verkauf stimmrechtsloser Vorzugsaktien (Volksaktien) geschehen.

„Wir sollten auch über das ,Ob‘ einer Privatisierung diskutieren, nicht nur über das ,Wie‘“, forderte Hermann Scheer, der Frontmann der Mehdorn-Kritiker. Der Parteitag habe mit dem Willen zu Volksaktien „eine klare Demarkationslinie gezogen“. Das sei nicht allein eine Entscheidung des linken Flügels gewesen. Ohnehin sei eine Kapitalprivatisierung für die Bahn der teuerste Weg, um an Geld zu kommen – die Ausgabe von Anleihen oder ein Bankkredit verursachten geringere Kosten. In öffentlichem Besitz müsse alles bleiben, was mit dem Nah- und Fernverkehr zu tun habe, „bei allen anderen Dingen gibt es Flexibilität“.

Scheer mahnte mit Blick auf die Kritik an Beck, es dürfe in dem Gremium „kein personelles Kräftemessen“ geben. Zu den Experten gehören neben der SPD-Spitze Befürworter wie Gegner des Bahn-Verkaufs. Entscheidungen soll die Gruppe aber nicht treffen. Die Zeit drängt: Am 28. April will der Koalitionsausschuss endgültig über das Projekt befinden.

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