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Wirtschaft: Deutsche Bahn steuert auf massive Verluste zu

Umsatz und Fahrgastzahlen in den ersten drei Monaten weit unter Plan / Grüne sehen Börsengang in Gefahr

Berlin (brö). Die Deutsche Bahn hat in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Im Fernverkehr habe das Unternehmen statt wie erhofft 930 Millionen Euro nur 750 Millionen Euro eingenommen, erfuhr der Tagesspiegel aus Unternehmenskreisen. Nur 27 Millionen Menschen hätten den Zug benutzt, vier Millionen weniger als erhofft. Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Schmidt, fürchtet angesichts dieser Zahlen, dass die Bahn einen Betriebsverlust von mindestens 500 Millionen Euro erleiden könnte.

Zwischen Januar und Ende März hat die Bahn damit 14 Prozent weniger eingenommen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gegenüber den Planzahlen blieb der Umsatz sogar um rund 19 Prozent zurück. Die Zahl der Passagiere blieb rund 13 Prozent unter der Kalkulation und zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau. Auch das Betriebsergebnis lag mit Minus 133 Millionen Euro nach TagesspiegelInformationen weit unter den Erwartungen. Der Konzern wollte diese Zahlen nicht kommentieren und verwies auf die nächste Sitzung des Aufsichtsrats am 20. Mai. Die Bahn erklärte aber, dass sie „nicht im konjunkturfreien Raum lebe“. Die Sparten Personenverkehr und Güterverkehr hätten sich im Vergleich zur Marktentwicklung noch gut behauptet. Das werde das Gesamtergebnis für das erste Quartal 2003 auch deutlich machen, versprach die Bahn.

Der Konzern steht seit Monaten wegen seines neuen Preissystems unter Druck. Fahrgast- und Umweltverbände fordern seit der Einführung der Tarife im Dezember kundenfreundlichere Konditionen und höhere Rabatte für Bahncard-Besitzer. Das neue System sieht für Frühbucher Vergünstigungen vor, Spontanfahrer indes bekommen geringere Abschläge als früher. Auch die rot-grüne Bundesregierung hat sich bereits mit dem Thema beschäftigt.

Die rückläufigen Fahrgastzahlen hatten sich bereits in den ersten beiden Monaten 2003 abgezeichnet. Die Bahn hatte sie mit der allgemein schlechten Wirtschaftslage begründet. Außerdem seien die Pannen der ICE-Züge auf der neuen Strecke Köln-Frankfurt (Main) sowie die zunehmende Konkurrenz durch Billigflieger Schuld an der Misere. Zudem hätten sich die Kunden noch nicht auf das neue Tarifsystem eingestellt. Mitte März hatte die Bahn Probleme eingeräumt und ein Programm vorgestellt, das die Kosten senken und die Pünktlichkeit verbessern sollte. Außerdem sollte es neue Sonderangebote und mehr Werbung geben. Offenbar haben sich diese Maßnahmen noch nicht ausgewirkt. Mögliche Streiks der Lokführer in den kommenden Wochen könnten die Bilanz des Unternehmens weiter verhageln.

Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Schmidt, nannte die Zahlen im Gespräch mit dem Tagesspiegel „ein Alarmsignal“. Setze sich diese Entwicklung fort, werde die Bahn tief in die roten Zahlen rutschen und einen Betriebsverlust von mindestens 500 Millionen erleiden. „Damit könnte man sämtliche Pläne von einem baldigen Börsengang vergessen“, sagte Schmidt. Bahnchef Hartmut Mehdorn hat sich zum Ziel gesetzt, das Unternehmen bis 2005 börsenfähig gemacht zu haben. Das bedeutet nach seiner Lesart eine Kapitalrendite von rund zehn Prozent.

Schmidt erklärte, der Vorstand müsse nun handeln. „Für einen Einbruch in dieser Größenordnung sind nicht allein die schlechte Konjunktur oder der Eisregen im Winter verantwortlich“, befand er. Veranwortlich sei vor allem das neue Preissystem. Die Bahn müsse sich stärker an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren und dürfe nicht versuchen, sie „umzuerziehen“. Schmidt: „Der Aufsichtsrat der Bahn muss den Vorstand nun sehr kritisch fragen, mit welcher Strategie er auf diese Entwicklung reagieren will.“

Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) glaubt, dass die schlechten Umsatzzahlen auf das Tarifsystem zurückgehen. „Die Bahn muss jetzt schleunigst wieder die Bahncard mit 50 Prozent Rabatt einführen, um Stammkunden zurückzugewinnen“, sagte ein VCD-Sprecher. Außerdem müssten die Frühbucher- und die Umtauschregeln vereinfacht werden. Ähnliches verlangt die Bahn-Gewerkschaft Transnet, die derzeit ein alternatives Konzept erarbeitet. Ein Bahnsprecher sagte dazu, man werde erst handeln, wenn eine verlässliche Datenbasis über den Ticket-Verkauf vorliege. Dies sei nach nur einem Quartal noch nicht der Fall. Ein Jahr lang, wie bisher stets versichert, müsse das Unternehmen aber nicht warten, bis es „Modifikationen“ vornehmen könne.

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