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Wirtschaft: Deutsche Börse unterwegs nach London

Übernahme des Finanzplatzes werden gute Chancen eingeräumt – doch der Deal könnte teuer werden

Berlin - Die Erfolgschancen der Deutschen Börse AG im Übernahmepoker um die Londoner Börse (LSE) stehen nach Einschätzung von Finanzexperten gut. Werner Seifert, Chef der Deutschen Börse, und LSE-Chefin Clara Furse trafen sich am Donnerstag in London, um über das Angebot der Deutschen zu verhandeln. Seifert hat bislang 530 Pence je LSE-Aktie geboten – das entspricht einer Summe von umgerechnet gut 1,9 Milliarden Euro – eine Aufstockung auf mindestens 600 Pence gilt inzwischen als sicher.

Die ebenfalls an einer Übernahme der LSE interessierte Vierländerbörse Euronext ließ am Montag offen, ob sie ebenfalls eine Offerte unterbreiten will. „Es ist aber zu diesem Zeitpunkt nicht sicher, ob ein Angebot abgegeben wird“, hieß es.

„Die Höhe des Angebots der Deutschen Börse wird ausschlaggebend sein. Ich gehe von einer Übernahme aus“, sagte Martin Peter, Analyst bei Independent Research. „Seiferts Chancen stehen gut“, glaubt auch Wolfgang Gerke, Professor für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen und Mitglied des Frankfurter Börsenrats. „Ich habe den Eindruck, dass diesmal ein Deal kommt“, ließ sich ein Frankfurter Banker zitieren.

Spekuliert wird allerdings noch über die Frage, welche Zugeständnisse Börsenchef Seifert machen muss, um an der Themse zum Zuge zu kommen. Dazu zählen etwa der Standort und Name eines gemeinsamen Unternehmens oder der Umzug von Teilen des deutschen Börsenkonzerns wie die Terminbörse Eurex. Hauptsitz der Deutschen Börse soll Regierungskreisen zufolge im Falle einer Übernahme aber Frankfurt bleiben.

Die für die LSE gebotene Summe gilt in Finanzkreisen als zu hoch: „Das ist ein gewaltiger Preis, und es wird nicht der letzte bleiben“, sagte Wolfgang Gerke mit Blick auf die bisher gebotenen 1,9 Milliarden Euro. „Diese Summe müsste das gemeinsame Unternehmen erstmal verdienen.“ 530 Pence seien schon zu teuer, meint auch Analyst Peter. „Damit würde sich die Deutsche Börse sehr, sehr generös zeigen.“ Auf der gegenwärtigen Informationsbasis lasse sich diese oder eine höhere Summe „nur strategisch, aber nicht rational rechtfertigen“. Peter hält eine Aufstockung auf bis zu 635 Pence für möglich.

Die Synergieeffekte, die nach einem Zusammengehen der Finanzplätze möglich wären, könnten diesen Preis allerdings rechtfertigen. „Das Bündnis könnte unter anderem beim Clearing Größenvorteile nutzen. Mit der Terminbörse Eurex könnte der Finanzplatz auch für US-Investoren attraktiver werden“, sagte Peter. Außerdem könne das Geschäft mit Börsengängen, das in London sehr erfolgreich am Alternative Investment Market (AIM) stattfindet, gebündelt werden.

„Auch wenn sich der Schritt für die Deutschen auf den ersten Blick betriebswirtschaftlich nicht rechnet, würden sie doch langfristig die zentrale Drehscheibe für den Kapitalmarkt und internationale Investoren in Europa schaffen“, sagte Dieter Hein, Bankenexperte beim unabhängigen Analysenhaus Fairesearch. Die LSE habe allerdings noch die Option, die Übernahmeofferte abzuwehren. Mache London zum Beispiel zur Bedingung für eine Übernahme, dass die Deutsche Börse ihren teuer erworbenen Wertpapierabwickler Clearstream abspalte, werde Seifert aufgeben. Die Deutsche Börse hatte eine Abspaltung abgelehnt. „Diese Giftpille könnte London einsetzen“, sagte Hein.

Die zuletzt stark gestiegen LSE-Aktie notierte am Donnerstag nahezu unverändert bei 584 Pence, das Papier der Deutschen Börse stagnierte ebenfalls und stand zuletzt bei 44,60 Euro.

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