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Keiner da: Nicht nur in dieser Plattenbausiedlung in Frankfurt an der Oder, sondern auch in vielen anderen Gemeinden Ostdeutschlands kehren die Bewohner ihrer Stadt den Rücken. Dem Osten droht ein gewaltiger Leerstand.

© p-a/dpa

Deutscher Immobilienmarkt: Stadt, Land, Schluss

Eine neue Studie warnt: In Berlin fehlen bis 2030 jede Menge Wohnungen, Brandenburg stirbt aus.

Berlin - Wohnungen fehlen, die Mieten steigen, die Kaufpreise auch. Eigentumswohnungen und Häuser werden unerschwinglich. Das ist die Angst der Städter, die in den großen Ballungsräumen Berlin, Hamburg oder München leben. Doch oft nur wenige Kilometer entfernt haben die Menschen ganz andere Probleme: Hier stehen Wohnungen leer, Häuser sind unverkäuflich, Stadtteile verfallen. Glaubt man einer neuen Studie, die das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat, driftet der Wohnungsmarkt in Deutschland auseinander. Während die Nachfrage nach Wohnraum in den großen Metropolen und im Süden Deutschlands weiter zunimmt, werden im Osten in den nächsten 20 Jahren immer mehr Wohnungen leer stehen.

Vor allem Sachsen-Anhalt, Thüringen, aber auch Brandenburg sind betroffen, glaubt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des IW. Bis zum Jahr 2030 werden nach Berechnungen des Instituts allein in den Landkreisen Oberspreewald Lausitz (Lauchhammer, Lübbenau, Senftenberg) und Elbe-Elster (Elsterwerda, Bad Liebenwerda, Finsterwalde) gut 20 Prozent des vorhandenen Wohnraums nicht mehr gebraucht.

„Die Menschen ziehen in die Städte“, sagt Voigtländer. Junge Menschen gehen nach Berlin, um zu studieren oder zu arbeiten. Aber auch immer mehr Senioren wollen nicht mehr auf dem Land oder in ihrer Kleinstadt leben. Sie wissen die bessere Gesundheitsversorgung und die kulturellen Angebote der Metropole zu schätzen, die ihnen in der Provinz fehlen.

Doch die Krise hat nicht nur strukturelle Gründe. Die Provinz leidet unter der demografischen Entwicklung. Weil zu wenige Menschen nach Deutschland kommen und zu wenige Kinder geboren werden, geht die Bevölkerung zurück. Im Jahr 2060 leben in Deutschland wahrscheinlich nur noch knapp 65 Millionen Menschen, ein Fünftel weniger als heute, schätzt das IW.

Das hat Konsequenzen: Im Osten Deutschlands, aber auch in einigen westlichen Großstädten wie Dortmund oder Essen wird die Bevölkerung sinken, warnt das IW. Diese Verlierer-Kommunen steuern auf eine traurige Zukunft zu: Wohnungen verfallen, Stadtteile verwahrlosen, Städte zersiedeln. Je weniger Menschen bleiben, desto mehr müssen sie für die Infrastruktur zahlen. „Im Osten liegen die Kosten für Abwasser um 30 Prozent höher als im Westen“, warnt Voigtländer. Das treibt die Leute davon – ein Teufelskreis. „Die Kommunen dürfen das Problem nicht länger verdrängen“, mahnt der Immobilienexperte. 300 000 Wohnungen seien im Osten schon abgerissen worden, doch das reicht nicht. Um auf den Bevölkerungsschwund zu reagieren, müssten sich die Bürgermeister auf die Innenstädte konzentrieren und die Bewohner dorthin locken. „An der Peripherie muss man Wohnungen abreißen“, sagt Voigtländer. Doch das wird bisher nur selten gemacht. Im Gegenteil: 80 Hektar werden jeden Tag neu als Siedlungsfläche ausgewiesen. Unnötig, findet das IW.

Während der Osten stirbt, lebt der Süden weiter auf. Vor allem die Landkreise rund um München sieht das IW als Boomgebiete. Unter den zehn Landkreisen mit der größten Nachfrage nach Wohnflächen findet sich nur eine nicht-bayerische Gemeinde: Potsdam. Hier wird nach Schätzung des IW der Bedarf an Wohnraum um knapp zwölf Prozent steigen. Damit würde Potsdam sogar Berlin abhängen, das bis 2030 rund sechs Prozent mehr Wohnraum bräuchte. Die Zahlen fielen noch deutlich höher aus, wenn die Deutschen nicht mehr – wie heute – 70 Quadratmeter pro Kopf, sondern eine noch höhere Wohnfläche beanspruchen.

„Potsdam lebt von Berlin“, sagt Voigtländer. Um den Ansturm der Menschen zu bewältigen, müsse in den Großstädten mehr gebaut werden, auch in der Peripherie um Berlin. So seien im Jahr 2011 zwar 40 000 Menschen neu nach Berlin gezogen, in dem Jahr seien aber nur 6000 Wohnungen neu entstanden. Von einer Mietpreisbremse, wie sie jetzt von allen Parteien im Wahlkampf versprochen wird, hält das IW jedoch nichts: „Das wirkt abschreckend auf Investoren.“

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