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Wirtschaftsweiser Schmidt: "Deutschland darf nicht zum Zahlmeister Europas werden"

Der Wirtschaftsweise Christoph M. Schmidt über das Rettungspaket und das Verhalten der Bundesregierung.

Herr Schmidt, woher soll das Geld für die vielen Rettungsaktionen kommen?

Deutschland könnte das Paket grundsätzlich schultern. Allerdings bringt es nur eine kurze Atempause. Wichtig ist, dass die Schulden von Griechenland und Portugal nicht einfach durch neue, unsere Schulden finanziert werden. Wenn das nicht gelingt, ist auch die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik irgendwann am Ende.

Was muss geschehen?

Die Regierung hätte dem Rettungspaket am Wochenende nur unter der Bedingung zustimmen dürfen, dass es einen neuen Stabilitätspakt gibt. Die EU-Länder hätten sich auf einen Vertrag einigen müssen, der eine übermäßige Verschuldung viel härter als bislang sanktioniert. Damit hätte die Politik signalisiert, dass sie die Finanzen zwar nicht morgen, aber in absehbarer Zeit wieder in den Griff bekommen will. Die Bundeskanzlerin muss das nun unbedingt nachholen. Schafft sie das nicht, verschärft sich nicht nur unser Schuldenproblem, auch die Stabilität des Euro gerät in Gefahr.

Welchen Anreiz sollten Staaten jetzt noch zu Haushaltsdisziplin haben? Die Reichen zahlen doch für die Armen.

Das ist das Problem. Die Bundesrepublik gilt bislang als exzellenter Schuldner. Das ist aber kein Naturgesetz. Steigen unsere Schulden übermäßig, müssen wir eines Tages selbst höhere Zinsen zahlen, weil es Zweifel an unserer Bonität gibt. Das kann niemand wollen, auch die ärmeren Länder in Europa nicht, die derzeit in Schwierigkeiten sind.

Sie verlangen ein Sparpaket für die gesamte Eurozone.

Ja. Das erfordert allerdings einen gewissen Mut der Regierenden. Die Proteste in Griechenland waren sicherlich abschreckend. Doch man muss an die Alternativen denken.

Und die wären?

Zu Beginn der Währungsunion haben wir versucht, den Geist der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank zu übertragen. Davon ist nach diesem Wochenende nicht mehr viel übrig geblieben, Frankreich hat sich mit seinen Vorstellungen von einer Wirtschaftsregierung ja weitgehend durchgesetzt. Eine Transferunion kann aber nicht im Interesse Deutschlands sein, sonst sind wir der Zahlmeister des Kontinents. Noch ist die Chance da, dieses abzuwenden.

Bedeutet das einen scharfen Sparkurs auch für die Bundesrepublik?

Ja, die Regierung hat eine Menge zu tun. Die Ausgaben müssen langsamer als die Einnahmen steigen, und zwar auf Dauer. Das erfordert an vielen Stellen Mut zu harten Einschnitten. Möglich ist es, Subventionen abzubauen, die Pendlerpauschale abzuschaffen oder die Steuerfreiheit von Sonntags- und Nachtzuschlägen. Das steht jetzt an.

Die Politik sagt, die Spekulanten seien Schuld an der Euro-Krise.

Damit versucht die Politik möglicherweise, vom Versagen der Regierungen abzulenken und den Verstoß gegen die europäischen Verträge zu rechtfertigen. Der Spekulation könnte man am besten begegnen, indem man das Übel an der Wurzel packt: Wenn die Haushalte der betreffenden Länder in Ordnung sind, haben die Spekulationen auch keine Basis mehr.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

Christoph M. Schmidt (47) sitzt im Sachverständigenrat der Bundesregierung. Er ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen.

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