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Wirtschaft: "Deutschland kann kaum noch mithalten"

Carl-Peter Forster (47) hat am 1. Mai 2001 den schwierigsten Job übernommen, den die europäische Automobilindustrie zu vergeben hat.

Carl-Peter Forster (47) hat am 1. Mai 2001 den schwierigsten Job übernommen, den die europäische Automobilindustrie zu vergeben hat. Der ehemalige BMW-Manager soll Opel sanieren. Seit Jahren schreibt die Tochter des US-Konzerns General Motors rote Zahlen. Falsche Modellpolitik und Qualitätsprobleme haben das einst solide Image der Marke zerstört. Forsters größtes Problem: Opel und GM könnten in Europa jährlich 2,3 Millionen Fahrzeuge bauen, verkauft werden aber nur 1,7 Millionen - Tendenz weiter rückläufig. Im Grunde genommen ist ein komplettes Werk überflüssig. Doch Forster hat mit den Betriebsräten vereinbart, das Sanierungsprogramm "Olympia" ohne Werksschließung duchzuziehen.

Herr Forster, die IG Metall fordert 6,5 Prozent mehr Lohn und gibt sich kampfbereit. Sie dagegen müssen mit ihren Betriebsräten über Nullrunden und das Streichen übertariflicher Leistungen verhandeln, um Opel wieder konkurrenzfähig zu machen. Kommt Ihnen der diesjährige Tarifstreit absurd vor?

Die Forderung ist völlig unangemessen, selbst wenn sich die IG Metall an Unternehmen orientiert, die besser als Opel dastehen. Und am Ende wird sicher auch nicht mit einer sechs vor dem Komma abgeschlossen. Aber gerade in unserer Situation schlägt jeder Prozentpunkt in der Bilanz schmerzlich durch, denn wir wollen trotz der schwierigen Automobilkonjunktur ein besseres Ergebnis als im Vorjahr abliefern. Ich baue darauf, dass sich die Tarifpartner ohne langwierige Streiks einigen werden.

Autohersteller zahlen besser als andere Metallbetriebe. Volkswagen sucht inzwischen neue, kostengünstigere Wege, Opel muss kräftig sparen. Sind die fetten Zeiten in der Automobilbranche vorbei?

Unsere Industrie steckt zweifellos in einem Konjunkturtief. Wer in die USA exportiert, hat noch ein Ventil zum Ausgleich. Wer sich aber wie Opel auf Europa konzentriert, leidet sehr darunter, dass die Konjunktur nicht richtig anspringt. Auch das Jahr 2002 wird mit sechs bis sieben Prozent Absatzminus unter dem ohnehin schwachen Vorjahr liegen. Das macht uns mittelfristig Sorgen. Langfristig wird es für Deutschland immer schwieriger, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Gerade die französischen Wettbewerber haben deutlich aufgeholt, was die Produktivität und Qualität angeht. Wir laufen momentan Gefahr, wegen der Lohnkostennachteile des Standorts Deutschlands in Zukunft kaum noch mithalten zu können.

Wann wird die Konjunktur wieder anspringen?

Da mag sich momentan niemand so genau festlegen. Es ist nicht klar, ob sich die positiven Signale aus den USA auch bei uns durchsetzen. Wenn ich persönlich in der zweite Jahreshälfte mit einer nennenswerten Konjunkturbelebung rechne, ist schon viel Hoffnung dabei.

Vor einem Jahr sind Sie als Hoffnungsträger in Rüsselsheim angetreten, um Opel zu sanieren. Haben Sie sich diesen Job einfacher vorgestellt?

Als ich mich für diese Aufgabe im Jahr 2000 entschieden habe, war mir schon klar, was alles auf mich zukommen wird. Vor allem war mir bewusst, dass man dieses Unternehmen nicht von heute auf morgen auf solide Fundamente stellen kann. Gegen einen rückläufigen Markt zu sanieren, macht die Sache allerdings viel schwieriger. Deshalb hoffe ich auch sehr, dass uns der Markt ein bisschen mehr hilft.

Wie verkraftet ein ehemaliger BMW-Manager die Opel-Kultur?

Wir müssen bei Opel schärfer rechnen als bei BMW. Opel konkurriert in einem Volumenmarkt. Dafür hat der Verbund mit unserer Muttergesellschaft General Motors den großen Vorteil, dass man nicht alles selbst machen muss, wenn man sich nur rechtzeitig und ausreichend abstimmt. Unterm Strich ist der Unterschied aber gar nicht groß, schließlich bauen wir alle Autos.

Haben Sie ein Rezept, ein Unternehmen mit 40 000 Mitarbeitern umzukrempeln?

Man muss mit einem klaren Konzept antreten und das auch der Mannschaft vermitteln. Vor allem darf man sich nicht verzetteln. Deshalb steht bei uns das Produkt im Mittelpunkt aller Aktivitäten.

Kann man pfiffige Ideen "produzieren"?

Wir wollen und müssen künftig mehr Modelle auf den Markt bringen. Deshalb haben wir unsere Entwicklung viel effizienter gestaltet. Und wir wollen eine traditionelle Stärke von Opel besser betonen: die Bedürfnisse des Marktes richtig einzuschätzen. Automodelle wie den erfolgreichen Zafira etwa, davon brauchen wir noch viel mehr.

Der neue Vectra ist vorerst das einzige neue Fahrzeug, mit dem Opel punkten kann. Wie ist die Resonanz bei den Händlern, gibt es erste Bestellzahlen?

Am letzten Wochenende haben wir den Vectra unseren Kunden präsentiert. Die Resonanz war hervorragend, etwa eine Millionen Menschen waren bei unseren Händlern, uns wurde von mehr als 30 000 Probefahrten berichtet. Der Auftragseingang nach dieser Vorstellung ist äußerst zufriedenstellend. Ich glaube, wir haben insgesamt eine sehr gute Markteinführung mit dem neuen Vectra geschafft. Genaueres kann ich Mitte des Jahres sagen.

Will Opel auch wieder in der automobilen Oberklasse mitmischen?

Wir werden nichts überstürzen. Der Nachfolger des Omega kommt in zwei bis drei Jahren. Erst einmal muss das Geschäft mit Großserienmodellen laufen, der Nachfolger des Astra steht deshalb erst einmal auf dem Programm.

Opels Image war letztes Jahr auf dem Tiefpunkt, die Zahlen tiefrot. Ihr Sanierungsprogramm "Olympia" soll die Wende bringen. Können Sie erste Erfolge vorweisen?

Wir werden zehn Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren in die Entwicklung neuer Fahrzeuge investieren. Wir haben gerade in Rüsselsheim das modernste Automobilwerk der Welt eröffnet. Die Produktionszeit eines Vectra wird mit 21 Stunden fast halbiert. 75 Prozent aller Zafira werden inzwischen auf Kundenwunsch gefertigt und das innerhalb von 25 Tagen. Und die Schließung des britischen Werks Luton ist ein erster wichtiger Schritt zur Reduzierung unserer Überkapazitäten.

Sie haben nicht den Ruf des rücksichtslosen Sanierers. Das hat Ihnen den Start bei Opel erleichtert. Doch die Situation hat sich verschärft: Opel hat allein im Januar 20 Prozent weniger abgesetzt, der Marktanteil ist auf 9,4 Prozent eingebrochen, es waren mal 15 Prozent. Und der Verlust des Unternehmens war 2001 mit 674 Millionen Euro deutlich höher erwartet. Werden Sie jetzt die Sanierungsschraube andrehen?

Wir müssen nicht tiefer schneiden, sondern wir müssen unsere Ziele schneller erreichen. Es wird kein weiteres Werk stillgelegt. Es sei denn, das wirtschaftliche Umfeld ändert sich dramatisch. Aber das sehe ich nicht.

Die lahme Autokonjunktur hat Ihnen aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ist der Zeitplan für die Sanierung noch zu halten?

Ich bleibe dabei: In den letzten Quartalen des Jahres 2003 wird Opel operativ wieder schwarze Zahlen schreiben.

Deshalb müssen Sanierungsschritte vorgezogen werden?

Wegen der flauen Konjunktur werden die beschlossenen Maßnahmen beschleunigt. So wird der geplante Abbau von 2500 Arbeitsplätzen in Deutschland schon weitgehend in diesem Jahr statt bis Ende 2003 umgesetzt.

Warum wird das Händlernetz in Deutschland ausgedünnt? Müssen die Kunden dann kilometerweit für einen neuen Opel fahren?

Keine Sorge. Wir stellen sicher, dass unsere Kunden künftig höchstens eine halbe Stunde brauchen, um ihren Händler zu erreichen. Die Zahl der Standorte wird um etwa 500 auf 1850 reduziert und die Zahl der Vertragsbetriebe von 890 auf 470. Ziel ist es, die Wirtschaftlichkeit und damit auch die Leistungsfähigkeit des Opel-Vertriebs zu steigern. Heute gibt es vor allem in den Ballungsgebieten zu viele Händler, die sich gegenseitig das Leben schwer machen.

Ford, Volkswagen und andere Konkurrenten haben Opel im vergangenen Jahrzehnt klar abgehängt. Sie waren einfach besser. Wann wird Opel wieder zur Spitze der deutschen Autoindustrie zählen?

Es gibt genügend Gründe, warum der Opelaner heute schon wieder stolz auf sein Unternehmen sein kann. Der neue Vectra zählt sicherlich dazu, keine Frage. Und wenn wir am Ende dieses Jahres berichten können, dass die Verluste erheblich reduziert worden sind, ist dies ein weiteres deutliches Signal dafür, dass sich Opel wieder im Aufwärtstrend befindet.

Herr Forster[5 Prozent me], die IG Metall fordert 6[5 Prozent me]

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