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Wirtschaft: Deutschland sucht Alternativen

Nach den Lieferausfällen beim Gas wird Kritik an den hohen Energieimporten laut / Neue Argumente für Kohle, Wind und Sonne

Berlin - Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat die Diskussion um die Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung neu angefacht. „Der Konflikt zeigt, wie wichtig die deutsche Steinkohle als heimische Energiequelle ist“, sagte Udo Kath von der Deutschen Steinkohle AG (DSK) dem Tagesspiegel. „Wenn man sich anschaut, woher Öl und Gas kommen, kann man diese Bereiche nicht mehr weiter ausbauen.“ Ähnlich äußerten sich Vertreter der erneuerbaren Energien. „Der Konflikt zeigt, wie die Abhängigkeit von Energieträgern ausgespielt werden kann“, sagte Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbarer Energien (BEE). „Deutlicher kann es nicht werden, dass Deutschland stärker auf erneuerbare Energien setzen muss.“

Derzeit stammen rund 80 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie aus dem Ausland. Neben den erneuerbaren Energien gibt es nennenswerte eigene Reserven nur bei Braun- und Steinkohle, wobei die Steinkohle lediglich dank Subventionen überlebensfähig ist. Bei Gas kann Deutschland seinen Bedarf nur zu 16 Prozent aus heimischer Produktion decken. Weil die Förderung in der Nordsee bereits an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen ist, wäre ein weiterer Ausbau der Gasversorgung nur aus Russland möglich. Auch die geplante Ostsee-Pipeline, deren Aufsichtsratschef Gerhard Schröder (SPD) werden soll, würde Deutschland enger an Russland binden.

Genau dagegen regt sich jedoch Kritik. „Deutschland sollte an seinem derzeitigen Energiemix festhalten“, sagte Kath von der DSK. Staatliche Beihilfen zur Förderung der heimischen Steinkohle seien daher legitim. „Für die äußere Sicherheit wird ja auch Geld ausgegeben“, sagte Kath. „Das muss auch für die Versorgungssicherheit gelten.“ Nitzschke vom BEE verteidigte wiederum die Förderung von Bioenergien. Er rechne damit, dass die heimische Energieerzeugung neben dem Umweltschutz das zentrale Argument für erneuerbare Energien werde.

Am Montag hatten die großen deutschen Gasunternehmen wegen des Streits zwischen Russland und der Ukraine über Lieferausfälle berichtet. „Wir mussten einige Hebel umschalten und Gasmengen anders leiten als bisher“, sagte ein Sprecher des ostdeutschen Versorgers VNG dieser Zeitung. Über andere Routen habe sich VNG aber „zu 100 Prozent“ die gleiche Gasmenge wie bisher besorgen können. „Die Lage ist ernst, aber sie bereitet uns keine übermäßigen Sorgen“, sagte der Sprecher.

Allerdings zeige der Konflikt, dass die Politik in Deutschland mehr Wert auf die Sicherheit in der Energieversorgung legen sollte. Auch Flüssiggas (Liquid Natural Gas, LNG), das unabhängig von Pipelines in Tankern transportiert werden kann, müsse verstärkt dazu zählen. „Alles, was zusätzliche Bezugsquellen erschließt, ist wünschenswert“, sagte der Sprecher. So prüfe VNG derzeit einen Einstieg ins LNG-Geschäft in Rotterdam.

Marktführer Eon-Ruhrgas plant derzeit sogar ein eigenes LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Den aktuellen Gasstreit sieht das Unternehmen durchaus kritisch. „Wenn sich die Lieferkürzungen als sehr groß herausstellen und der Winter besonders kalt wird, stoßen unsere Ausgleichsmöglichkeiten an Grenzen“, sagte Vorstandschef Burckhard Bergmann. Derzeit sei aber nichts zu befürchten. Auch Verbraucherschützer warnten vor Panikmache.

Höhere Gaslieferungen aus Norwegen als Ersatz für russisches Gas sind unterdessen nicht zu erwarten. „Wir produzieren jetzt schon mit Maximum-Kapazität“, sagte Lars Nermoen von Norsk Hydro dem Tagesspiegel. Ähnlich äußerte sich Ola Aanestad vom Energiekonzern Statoil. „Mehr als derzeit können wir nicht liefern.“ Steigende Preise werde dies aber nicht bedeuten. „Mit deutschen Unternehmen haben wir vor allem langfristige Lieferverträge“, erklärte Aanestad.

Derweil bekämpft Gasprom die Ukraine mit ihren eigenen Waffen. Nach Konzernangaben wurden Gaslieferungen, die aus Turkmenien über Russland für die Ukraine bestimmt waren, gestoppt.

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