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Wirtschaft: Die Bahn fährt wieder

Der Modellbauer Märklin verlässt die Insolvenz. Jetzt hofft die gesamte Branche auf neuen Schub

Berlin - Freunde der Modelleisenbahn lassen sich nicht hetzen, sie genießen in vollen Zügen. Thomas Pietsch, Inhaber von Modellbahn-Pietsch in Berlin-Mariendorf, einem der bestsortierten Händler der Stadt, sagt, er habe kaum etwas von der Insolvenz von Märklin mitbekommen. „Kein Kunde hat geglaubt, dass der führende Hersteller einfach vom Markt verschwindet.“ Jedenfalls habe ihm niemand den Laden eingerannt, aus Angst, keinen Nachschub mehr zu bekommen. Allerdings habe aber zum Glück auch niemand wegen der Pleite auf den Kauf einer Märklin-Bahn verzichtet.

Diese langfristige Treue und Zuversicht der Modelleisenbahnfans war berechtigt: Märklin ist gerettet. Vorerst. Mit dem Jahreswechsel lässt das 1859 gegründete Unternehmen aus Göppingen bei Stuttgart die Insolvenz nach 22 Monaten hinter sich. Am Dienstag stimmten mit 99,8 Prozent fast alle Gläubiger auf einer Versammlung für den Insolvenzplan, den Insolvenzverwalter Michael Pluta für die kommenden vier Jahre vorgelegt hat. Er hatte zugesagt 33 Millionen der insgesamt 93 Millionen Euro Schulden sofort zurückzuzahlen. Das Geld kommt aus den Gewinnen der vergangenen zwei Jahre. Allein für 2010 peilt Märklin einen operativen Gewinn vor Zinsen und Steuern von neun Millionen Euro an, bei einem Umsatz von 111 Millionen Euro.

Den größten Anteil, etwa 27 Millionen Euro, erhalten die Kreissparkasse Göppingen, die BW-Bank und Goldman Sachs als Hauptgläubiger. Die übrigen der insgesamt 1350 Gläubiger, darunter Firmen und Privatpersonen, erhalten zunächst nur rund zehn Prozent ihrer Forderungen – in der Summe 2,5 Millionen Euro. Die verbleibenden gut drei Millionen Euro gehen in den Sozialplan der 450 entlassenen Mitarbeiter, die seit Februar 2009 gehen mussten. Heute beschäftigt Märklin noch rund 1000 Mitarbeiter.

Eigentlich hatte Rechtsanwalt Pluta Märklin an Investoren verkaufen wollen, doch ging in den vergangenen Monaten offenbar kein Angebot ein, dessen Höhe ihn oder die Mehrheit der Gläubiger befriedigt hätte. „Man muss den Patienten erst heilen und restrukturieren, bevor man ihn dann verkauft“, sagte Pluta nun. De facto gehört Märklin jetzt den Gläubigern. Die erhalten für ihre noch ausstehenden Forderungen Besserungsscheine, mit denen sie ihren Anspruch geltend machen können, sollte Märklin später doch verkauft werden.

Der Umstand, dass der Traditionshersteller schwarze Zahlen schreibt, nährt in der Branche Hoffnung, dass sie ihr angestaubtes Image abstreifen kann und eine Renaissance erlebt. Modellbahnhändler Pietsch spricht von einem strukturellen Problem: Seine Kunden sind zu weit über 90 Prozent männlich und im Schnitt deutlich älter als 50 Jahre. „Früher war Modelleisenbahn etwas, mit dem sich alle Generationen gemeinsam beschäftigt haben. Aber seit Internet und Spielkonsolen die Freizeit bestimmen, sieht es schlecht aus.“ Sein Geschäft, seit 55 Jahren in Familienhand, setzte 2010 rund 800 000 Euro um und beschäftigt acht Leute. Wenn nichts passiere, könne er 2011 wohl nicht alle halten, sagt er.

Dass Modellbau nicht nur etwas für alte Herren ist, erleben die Betreiber sogenannter Miniaturwelten wie es sie in der Hamburger Speicherstadt oder im Berliner Alexa-Shoppingcenter gibt. Jörg Wreh, Ausstellungsleiter von Loxx am Alex berichtet, dass auch viele Frauen und Kinder kommen, um den Nachbau der Stadt zu bestaunen. Über die Feiertage will er die Öffnungszeiten fast jeden Tag bis 21 Uhr verlängern. Insgesamt ist seine Mini-Eisenbahn-Strecke 5,2 Kilometer lang. Wagen von Märklin können Besucher dort aber nicht sehen, weil Märklin Schienen und Loks baut, die mit denen anderer Hersteller nicht kompatibel sind. Am Alex fahren daher die Züge der Konkurrenz – die es hoffentlich auch noch lange geben wird, sagt Wreh.

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