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Wirtschaft: Die Bahn hat Beschwerden

60 Prozent mehr Kundenklagen – Konzern will sich bessern

Berlin (brö). Eigentlich mag Gernot Krankenhagen das Zugfahren. Man reist entspannt, ist flott unterwegs und muss keinen Parkplatz suchen, freut sich der 61Jährige. Doch Krankenhagens Begeisterung wurde jüngst arg strapaziert. Er fühlt sich vom Konzern verschaukelt. „Niemand hat Informationen, niemand engagiert sich“ – diesen Eindruck hat der Hamburger Museumsdirektor von seiner letzten Berlin-Reise mitgebracht.

Er wollte zurück nach Hamburg fahren, in zwei Stunden und neunzehn Minuten. Doch der Abfahrtsbahnhof wurde wegen eines Oberleitungsschadens vom Zoo per Lautsprecher-Durchsage nach Berlin-Lichtenberg verlegt. Bahn-Mitarbeiter in Lichtenberg wussten davon aber nichts und rieten, mal auf dem Ostbahnhof nach dem Zug zu suchen. Dort wurde Krankenhagen fündig – und kam nach fünf Stunden in Hamburg an. Ihn empört nicht nur die Unkenntnis der Bahn-Mitarbeiter, sondern auch der Umgang mit Beschwerden. „Auf mein Schreiben hin bekam ich nur eine nichts sagende, aus Textbausteinen bestehende Antwort – und einen Reisegutschein über lächerliche fünf Euro.“

Krankenhagens Klage ist eine von Tausenden, die Tag für Tag bei der Bahn eingehen. Im Januar, nach Einführung der neuen Preise und einer Pannenserie, seien sogar 60 Prozent mehr Beschwerden als üblich eingegangen, sagte Uwe Blumenstein, Chef der Marketingkommunikation im Personenverkehr. 86455 Kunden hätten sich über fehlende Informationen, Verspätungen, das Personal oder über die Tarife beschwert, hieß es. Auch im Februar war der Zustrom von E-Mails, Briefen und Anrufen groß, erst bis zum Mai flaute er wieder auf das Normalmaß von 60000 ab.

Mit dem Umbau ihres Beschwerde-Systems will die Bahn nun den Berg an aufgelaufenen Unmutsbekundungen abarbeiten. Das Personal wurde auf 220 Leute aufgestockt. Die Beschwerdestelle heißt nun DB Dialog und soll in Hannover konzentriert werden. Das soll den Kundenservice beschleunigen: Briefe und E-Mails will die Bahn künftig binnen zehn Werktagen bearbeiten. Dies habe bisher bis zu zehn Wochen gedauert. Die meisten Anrufer sollen in Zukunft nicht länger als 20 Sekunden warten müssen, bis sich ein Mitarbeiter ihrer annimmt.

Auch am Inhalt der Antwortbriefe will der Konzern feilen. „Auf Textbausteine kann man zwar nicht verzichten, aber wir werden den Inhalt stimmiger machen“, gelobt Bahn-Sprecher Achim Stauß. Dabei gibt es aber eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Bahncard-Besitzer bekommen individuelle Antworten, Gelegenheitsfahrer nicht unbedingt.

Gernot Krankenhagen hat immerhin schon nach 13 Tagen Antwort auf seine Klage bekommen. Zufrieden ist er trotzdem nicht. Den Reisegutschein über fünf Euro findet er „eine Unverschämtheit“. In Zukunft werde er häufiger mit seinem VW-Bus auf Reisen gehen – aber Zugfahrten ließen sich doch nicht immer umgehen. „Eine letzte Chance gebe ich der Bahn noch“, sagt er trotzig.

Beschwerden nimmt die Bahn rund um die Uhr unter der Nummer 01805/194195 entgegen.

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