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Kein Heimspiel. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück versuchte, die Sorgen der Wirtschaftsbosse vor Steuererhöhungen zu zerstreuen. Foto: dpa

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Wirtschaft: Die Bosse klatschen

Peer Steinbrück umwirbt die Wirtschaft – doch die Kanzlerin ist im Vorteil.

Berlin - Sie kann machen, was sie will, die Leute finden sie trotzdem gut. Sie nicken und klatschen, selbst wenn sie fahrig redet, zu abgedroschenen Phrasen greift und milliardenteure Wohltaten verspricht. Angela Merkel ist die Kanzlerin, deshalb bekommt sie Applaus an diesem Tag. Nicht von irgendwem, von den Spitzen der Wirtschaft. Dabei gab es mindestens einen, der überzeugender aufgetreten ist an diesem Tag.

Merkel trifft nun häufig auf Peer Steinbrück, ihren Herausforderer bei der Bundestagswahl. Die Lobbyverbände halten derzeit ihre Jahrestreffen ab – vergangene Woche die Verbraucher, an diesem Mittwoch die Energiebranche. Am Dienstag war die Industrie dran. Im Tempodrom, diesem steinernen Zirkuszelt, hatte der BDI in seine Wahlkampf-Manege geladen. Und das Spitzenpersonal aus dem Bundestag bemühte sich um Kunststücke. Denn Unternehmer spenden Geld, zahlen Steuern, beschäftigen Menschen, geben Interviews – sie können die Wahl beeinflussen.

„Wenn alle zufrieden sind und trotzdem die Ziele erreicht werden, ist es ja auch schön“, sagt Merkel irgendwann nach der Hälfte ihrer Rede. Da hat sie gerade ihre Pläne für die nächste Zeit bis 2017 erklärt, die die Opposition als „Wahlgeschenke“ bezeichnet: höhere Renten für Mütter, mehr Geld für Kinder und Straßen. Um 50 bis 60 Milliarden Euro würden den Prognosen zufolge die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren steigen. „Die kann ich dann doch wieder investieren“, ohne dass das Ziel eines ausgeglichenen Etats in Gefahr gerate, ruft sie. Und Steuererhöhungen seien tabu.

Merkel ist vorsichtig. Sie weiß, hinter ihr liegen Jahre, in denen es geknirscht hat zwischen Regierung und Wirtschaft. Geplatzte Steuersenkungen, vor allem aber Atomausstieg und Energiewende haben die Manager erzürnt. Nur niemanden vor den Kopf stoßen, das scheint nun ihr Motto zu sein. Der Strompreis-Anstieg werde gebremst, verspricht sie, gleich nach der Wahl. Und leiert die Bilanz von Schwarz-Gelb herunter, bis zur Zunahme von Vorlesungen an Unis auf Englisch. „Danke für das, was sie machen, und irgendwo weiter so“, schließt sie. Der Beifall ist höflich.

Peer Steinbrück hat nichts zu verlieren bei den 236 Frauen und 1226 Männern im Zelt. Ihm, dem Freund der Bosse, schlägt Skepsis entgegen. Er weiß auch, warum. „Ich verspreche Ihnen nix – nur, dass wir einige Steuern erhöhen werden.“ Der Gastgeber, BDI-Präsident Ulrich Grillo, hatte kurz zuvor noch gewarnt, „wir brauchen keine neue Verteilungsdiskussion“.

In Nadelstreifen kämpft Steinbrück um eine Chance. Die Tarifentlastungen der vergangenen Jahre seien der SPD zu verdanken. Aus entsprechenden Plänen der FDP von 2009 ist nichts geworden. „Können Sie sich erinnern?“ Und: „Wenn jemand in diesem Saal zu dem Ergebnis kommt, dass die Energiewende gut gemanagt ist, würde ich mich wundern“, sagt er bissig. Steinbrück ist in Form.

Er sät Zweifel, indem er Fragen stellt. Was es heiße, wenn ein Viertel der Beschäftigten für einen Niedriglohn arbeite – „für die gesellschaftliche Stabilität, einen der wichtigsten Standortfaktoren?“ Und: „Wie hat sich das entwickelt mit den Mieten ihrer Beschäftigten?“ Oder: „Überdehnt die Europäische Zentralbank ihr Mandat nicht längst? Was wird Ihnen da erzählt?“ Wenn die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigen solle, „warum ist dann das Betreuungsgeld ein guter Ansatz?“ Hier gibt es Sonderapplaus von den Frauen im Saal. Auch die Herren sind angetan. Zum Schluss verspricht Steinbrück noch: „Ich habe nicht die Absicht, eine Steuer einzuführen, die Investitionen behindert.“

Er meint die Vermögensteuer – seinen wunden Punkt. Philipp Rösler, der Wirtschaftsminister, hält ihm das Thema genüsslich vor. Reiche heranzuziehen, ohne an die Substanz zu gehen, sei wie die Idee vom „vegetarischen Schlachthof“. Die Energiewende sei „Planwirtschaft“, führe zur „Deindustrialisierung“. „Leistung ist keine Körperverletzung“ schließt er. Merkel begeistert nicht, Steinbrück ist in der falschen Partei – deshalb bejubeln sie Rösler. Der Minister nutzt sein Heimspiel.

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