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Wirtschaft: Die Chamäleon-Strategie

Veränderungen begegnet man ständig – im Berufs- wie im Privatleben. Die Frage ist, wie man damit umgeht: Anpassen oder nicht? In „Change-Management-Kursen“ lernen Führungskräfte, skeptische Mitarbeiter von Neuerungen zu überzeugen.

Mit Rasterleuchten kannten sich alle in der Lampenfirma bestens aus. Da wusste man, woran man war. Und jetzt sollten plötzlich Designleuchten produziert werden? Können wir das, wollen wir das überhaupt? Solche Fragen stellten sich die Mitarbeiter.

Jedes Unternehmen, jeder Mensch muss ständig auf Veränderungen gefasst sein. In der einen Firma werden Abteilungen vergrößert oder verkleinert, zwei Unternehmen fusionieren, die Produktion wird umgestellt, eine neue Software eingeführt – und überall gibt es Menschen, die diese Veränderungen umsetzen sollen. Sie stehen vor einer reizvollen, aber auch schwierigen Aufgabe: Denn vielen Mitarbeitern ist das Vertraute, Gewohnte erst mal lieber als das Neue, dessen Nutzen sich noch schwer einschätzen lässt.

Damit die Veränderung gelingt und nicht am Widerstand der Mitarbeiter scheitert, bieten Trainer und Institute „Change Management Kurse“ an. Der Knackpunkt, sagt Ina Jachmann von der Trainer Sozietät in Berlin, sei meist die „Vision am Anfang“. Diese Vision, was die Veränderung an Positivem bringen soll, müsse griffig und mitreißend sein und auf allen Ebenen gut kommuniziert werden, damit die Mitarbeiter sich dafür begeistern können. „Es ist normal, dass Mitarbeiter Veränderungen erst einmal skeptisch gegenüber stehen“, sagt Jachmann, Juristin und ehemalige Marketingleiterin in Industrie und Handel. „Führungskräfte sollten diese Ängste ernstnehmen und nicht abkanzeln.“

Wer Veränderungen umsetzen wolle, müsse die typischen Phasen kennen, wie Mitarbeiter auf eine solche Ankündigung reagierten - von Schock über Ablehnung und Widerstand bis hin zu Akzeptanz, Einsicht und Erkenntnis – und verstehen, welche Bedürfnisse in jeder Phase bei den Mitarbeitern entstünden. „Verantwortliche dürfen nicht nur von ihren Mitarbeitern verlangen, dass sie Neues leisten sollen, sondern sollen ihnen auch zeigen, wie sie, etwa durch Weiterbildung, dorthin kommen.“ Ina Jachmann empfiehlt, in den Veränderungsprozess so genannte „quick hits" einzustreuen: Momente, in denen die Mitarbeiter schnelle Erfolge erkennen können, damit sie den restlichen Weg motivierter mitgehen.

Entscheidend ist, den Kollegen das Gefühl zu vermitteln, die Veränderung werde ihnen nicht „aufgedrückt“, sondern von ihnen mitgestaltet. Widerstand kommt aber nicht nur aus unteren Hierarchiestufen. Burkhard Radtke von Efficientia Consulting hat festgestellt: „Oft kommt der größte Widerstand von Mitarbeitern auf der gleichen Hierarchiestufe, die sich in ihrer Macht bedroht sehen.“ Gerade hat er ein Unternehmen betreut, in dem ein Abteilungsleiter ein zusätzliches Rechensystem aufgebaut hatte: „Das sahen seine Kollegen auf der gleichen Hierarchiestufe am kritischsten, denn ihre eigene Arbeit wurde dadurch weniger wichtig.“ Veränderungen bringen eben auch machtarchitektonische Verschiebungen mit sich – ein Aspekt, der oft übersehen werde. „Die Verantwortlichen sollten immer mit bedenken: Wem nützt die Veränderung, und wer verliert dadurch an Macht und könnte sie deswegen sabotieren?“, empfiehlt Radtke. „Change Management“ ist ein Teil einer allgemeineren Führungskompetenz – und zwar ein besonders komplizierter. Karl Höppner-Zierow, Psychologe und Jurist, bietet an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Führungskurse für Studenten und allgemein Interessierte an, in denen Change Management einen großen Raum einnimmt. Zu ihm kommen sowohl jüngere Führungskräfte als auch ältere, die vielleicht erlebt haben, wie Veränderungsprozesse scheitern können, wenn sie ungeschickt umgesetzt werden: „Oft sind Führungskräfte enttäuscht, weil die Mitarbeiter nicht gleich mitziehen. Dann müssen sie sich klarmachen, dass ein gewisser Widerstand gegen Veränderungen normal ist.“ In Rollenspielen übt er mit den Teilnehmern, wie sie ihren Mitarbeitern am besten Wertschätzung, Unterstützung und Motivation vermitteln.

Denn Veränderungen gibt es ja nicht nur im Arbeitsalltag, sondern auch ganz privat: ein neuer Job, ein Umzug, eine berufliche Neuorientierung in der Lebensmitte, auch Krankheit oder temporäre Arbeitslosigkeit bringen Umstellungen mit sich. Anna-Kristin David, Psychotherapeutin und Trainerin in großen Unternehmen wie Sony Ericsson und Unilever, bezieht in ihre Trainings auch private Schlüsselerlebnisse mit ein, damit die Teilnehmer reflektieren, wie sie persönlich mit Veränderungen umgehen. Sind sie risikobereit oder eher ängstlich, sehen sie bei anstehenden Veränderungen eher das Positive oder das Negative, neigen sie dazu, in kleinen, vorsichtigen Schritten vorwärts zu gehen oder gleich alles umzuschmeißen? An die eigene Erfahrung anzuknüpfen, kann hilfreich sein, um die Reaktionen anderer besser zu verstehen. Denn im Privaten wie im Beruflichen gibt es immer andere, die von der Veränderung betroffen sind und überzeugt werden müssen.

„Man kann trainieren, veränderungsbereiter zu werden“, sagt Anna-Kristin David, die als Trainerin hauptsächlich im angelsächsischen Raum unterwegs ist. Dort sei für viele das Ziel, ein „entrepreneurial self“ zu entwickeln, das sich flexibel immer wieder neu erfindet. David sieht das kritisch: „Es kann nicht das Ziel sein, sich selbst zu verbiegen, nur damit man sich allen wechselnden Anforderungen optimal anpasst. Es gibt auch gute Gründe dafür, bestimmte Dinge oder persönliche Eigenschaften, Vorlieben, Denkweisen so zu lassen, wie sie sind.“

Aber wer mehr über die typischen Abläufe und Wirkungsweisen von Veränderungen weiß, der sei auch besser in der Lage, mit notwendigen und gewollten Veränderungen konstruktiv umzugehen und andere dafür zu gewinnen.

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