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Antrittsbesuch im Kreml: Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, wurde in der vergangenen Woche vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen.

© imago/Itar-Tass

Die deutsche Wirtschaft und Russland: Ost-Ausschuss für "Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok"

Vertreter der deutschen Wirtschaft setzen auf eine gemeinsame Wirtschaftszone mit Russland und greifen damit eine Idee von Präsident Wladimir Putin auf.

Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft gilt als schärfster Kritiker der Sanktionen, die die EU wegen des Ukraine-Krieges gegen Russland verhängt hat. Damit stellte er sich zugleich gegen die Russland-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bei einer Tagung des Ost-Ausschusses am Dienstag war von derart offener Kritik kaum noch etwas zu hören. Wolfgang Büchele, der neue Vorsitzende des Ost-Ausschusses, betonte vor dem „east forum Berlin“, in der jetzigen Situation könne es nur Verlierer geben. Zugleich machte sich der Linde-Vorstandschef die Vision eines „gemeinsamen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok“ zu eigen – ein Vorschlag, den der russische Präsident Wladimir Putin vor mehr als fünf Jahren formuliert hatte. Das war noch zu einer Zeit, als die Europäische Union und Russland auf eine verstärkte Kooperation und auf eine Annäherung hoffen konnten. Doch die Annexion der Krim durch Russland  und die russische Intervention in der Ostukraine haben das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen schwer beschädigt.

Aus Sicht des Ost-Ausschusses ist dies allerdings kein Grund, von der Vision einer riesigen Freihandelszone Abstand zu nehmen. „Das Ziel des gemeinsamen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok ist mit der Ukraine-Krise noch dringlicher geworden“, betonte Büchele vor den rund 400 Teilnehmern des „east forum Berlin“. Andernfalls werde es „zunehmende Spannungen“ geben, warnte er. Russland hat mit mehreren anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion eine Eurasische Wirtschaftsunion gegründet. Aus Bücheles Sicht ist Armenien geradezu beispielhaft, weil es der Eurasischen Wirtschaftsunion angehört und gleichzeitig an guten Beziehungen zur EU interessiert ist.  

Russland gehöre ebenso zu Europa wie die 28 EU-Mitgliedstaaten, betonte der Linde-Chef. „Ein fragmentiertes Europa wird international an Bedeutung verlieren, wenn man sich die USA auf der einen Seite und China auf der anderen Seite ansieht.“ Daher müssten Allianzen mit denjenigen gebildet werden, die an einem Dialog interessiert seien. Der russische Vize-Wirtschaftsminister Alexej Lichatschow signalisierte sogleich die Bereitschaft seiner Regierung zu Verhandlungen über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Er dankte insbesondere dem Ost-Ausschuss, dass dieser auch in politisch schwierigen Zeiten den Dialog aufrecht erhalte. Büchele war in der vergangenen Woche mit dem Ost-Ausschuss in Moskau und wurde dort auch von Präsident Putin empfangen.

Beim Ost-Ausschuss wird betont, dass man mit dem Vorstoß unmittelbar an den deutschen Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) anknüpfe und dass sich im Mai eine OSZE-Konferenz im Auswärtigen Amt ebenfalls diesem Thema widmen werde. So kann der Eindruck vermieden werden, es gebe erneut einen offenen Dissens zwischen Wirtschaftsvertretern und Bundesregierung. Doch davon kann keine Rede sein. Denn die Unternehmen wissen in diesem Fall auch den Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzenden hinter sich: Sigmar Gabriel hatte vor kurzem auf der Jahresversammlung des Deutsch-Russischen Forums ebenfalls Putins Vision einer gemeinsamen Wirtschaftszone von Lissabon bis Wladiwostok unterstützt. Mit Blick auf die Verhandlungen zwischen der EU und den USA um das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP hatte Gabriel gesagt: „Europa sollte mit gleicher Kraft ein Freihandelsabkommen mit der Russischen Föderation anstreben.“

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