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Wirtschaft: "Die deutsche Wirtschaft verharrt im Attentismus"

DIHT-Präsident Hans Peter Stihl über den wirtschaftspolitischen Kurs der rot-grünen Bundesregierung und das Bündnis für ArbeitHANS PETER STIHL (67) ist seit 1988 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), dem Dachverband der Industrie- und Handelskammern. Der gebürtige Schwabe führt seit Anfang der siebziger Jahre ein Familienunternehmen, das vor allem wegen seiner Kettensägen-Produkte bekannt wurde.

DIHT-Präsident Hans Peter Stihl über den wirtschaftspolitischen Kurs der rot-grünen Bundesregierung und das Bündnis für Arbeit

HANS PETER STIHL (67) ist seit 1988 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), dem Dachverband der Industrie- und Handelskammern. Der gebürtige Schwabe führt seit Anfang der siebziger Jahre ein Familienunternehmen, das vor allem wegen seiner Kettensägen-Produkte bekannt wurde. Nach dem Studium des Maschinenbaus verstand er es, sein Unternehmen in Deutschland profitabel auszubauen und in Europa, Asien und den USA zu etablieren. Mit Stihl sprachen Gerd Appenzeller und Antje Sirleschtov.

Herr Stihl, man sagt Ihnen nach, dass Sie Helmut Kohl für wirtschaftspolitisch wenig kompetent hielten. Wie viel versteht denn Gerhard Schröder von Wirtschaft?

Helmut Kohl hatte qualifizierte Berater. Alles in allem hat er deshalb in den Anfangsjahren eine vernünftige Wirtschaftspolitik gemacht. Der jetzige Bundeskanzler versteht zwar etwas von der Wirtschaft. Beim Schröder-Blair-Papier hat er die nötigen und richtigen Akzente gesetzt. An der wirtschaftspolitischen Kompetenz eines Teils seiner Regierung habe ich durchaus Zweifel.

Aber Sie loben doch das Sparpaket des Bundesfinanzministers.

Oskar Lafontaine hat in den wenigen Monaten seiner Tätigkeit als Minister eine verhängnisvolle Finanz- und Haushaltspolitik betrieben. Sein Nachfolger, Herr Eichel, ist auf dem richtigen Kurs. Von ihm habe ich das Wort Sparen zum ersten Mal in dieser Bundesregierung gehört. Das zeugt davon, dass er verstanden hat, wie wichtig es ist, das Defizit des Staates herunterzufahren und die sozialen Leistungen wieder an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes auszurichten. Ich frage mich aber, wie viel Rückhalt er mit diesem notwendigen Kurs beim Koalitionspartner und in der SPD-Fraktion hat.

Der Arbeitnehmerflügel in der SPD will eine gravierende soziale Schieflage in Deutschland verhindern.

Ich kann keine solche Schieflage erkennen. Zehn Prozent der Deutschen zahlen immerhin rund die Hälfte der Steuern, und 50 Prozent der kleinen Steuerzahler tragen nur knapp zehn Prozent der Steuern zusammen. Wo soll denn da eine Schieflage sein, die jetzt beispielsweise die Vermögensteuerdebatte zwingend nötig macht? Eines ist jedenfalls klar: Die Steuerlast in Deutschland ist unbestritten für alle zu hoch. Sie senkt nicht nur die Motivation der Arbeitnehmer, zu arbeiten. Denn die Belastungen und Abgaben haben längst ein nicht mehr hinnehmbares Niveau erreicht. Die Steuerlasten hindern auch Unternehmer, hierzulande zu investieren und schaden damit dem Wirtschaftsstandort. Es ist doch kein Wunder, dass man in den Betrieben mit Investitionsentscheidungen abwartet. Uns war eine Unternehmensteuerreform für Januar 2000 versprochen worden.

Immerhin will Eichel die Eckdaten im Januar vorstellen. Zwölf Monate später soll die Reform Wirkung zeigen.

Wenn sie nicht wieder zerrieben wird zwischen den Kräften in der SPD, die das Wirtschaftswachstum unterstützen wollen und denen, die noch immer nicht genug Wohltaten verteilt haben. Die Unternehmer können keine neuen Arbeitsplätze schaffen, wenn sie keine verlässlichen Rahmendaten haben. So lange verharrt die deutsche Wirtschaft in Attentismus. Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten schon zu viele Fehler erlebt.

Was kreiden Sie der rot-grünen Bundesregierung am meisten an?

Rot-Grün hat es verstanden, ihre Klientel durch Gesetzesinitiativen zu demotivieren. Das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit war verheerend, das 630-Mark-Gesetz fatal, und das so genannte Steuerentlastungsgesetz hat zu einer erheblichen Mehrbelastung für die Unternehmen geführt. Wenn wir am Jahresende Bilanz ziehen, wird keine Maßnahme der Regierung zu einer Steigerung des Arbeitsplatzangebotes geführt haben. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Wird auch die Ökosteuer keine neuen Arbeitsplätze schaffen?

Auch die Ökosteuer ist schon im Ansatz verfehlt. Sie ist nichts anderes als eine zusätzliche Geldbeschaffungsmaßnahme der Bundesregierung, die nicht in die Landschaft passt und die ich deshalb ablehne.

Ihre Positionen lassen nicht hoffen, dass das Bündnis für Arbeit im Konsens fortgeführt werden kann.

Das Bündnis ist ein Forum, das überwiegend dem Meinungsaustausch dient. Da können Bundesregierung, Gewerkschaften und Verbände ihre Sicht der Dinge einbringen. Letztlich muss der Gesetzgeber handeln.

Heißt das, dass Sie das Bündnis schon abgeschrieben haben?

Solange solche Themen wie die Rente mit 60 ohne Abschlag oder die weitere Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden ernsthaft diskutiert werden, wird es mit uns keinen Konsens geben. Solche Vorschläge der IG Metall beschädigen die internationale Konkurrenzfähigkeit des Standortes.

Genau diese Themen werden aber doch ernsthaft diskutiert, und nicht nur in der IG Metall.

Auch in Holland haben die Bündnisgespräche lange gedauert. Nachdem man sich dort näher gekommen ist, hatten sie Erfolg. Heute werden in Holland Arbeitskräfte gesucht.

In Deutschland scheint man sich aber überhaupt nicht näher zu kommen. Ganz im Gegenteil.

Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Runde stärkeres Einvernehmen darüber erzielen wird, auf welche Art und Weise wir mehr Arbeitsplätze schaffen. So wie die IG Metall es sich vorstellt, geht es jedenfalls nicht.

Der Bundeskanzler ist angeschlagen. Wenn er sich in der IG Metall Verbündete sucht, sitzen Sie am Bündnistisch allein.

Dass es so weit kommt, will ich nicht hoffen. Jedenfalls werden wir bei der Rente mit 60 ohne Abschlag und der Arbeitszeitverkürzung nicht einknicken. Das würden Vorgaben sein, die die kommende Tarifrunde belasten. Und zusätzliche Kosten können die deutschen Unternehmen nicht verkraften. Schon gar nicht, wenn es darum geht, alle Arbeitnehmer zu Gunsten einer kleinen Gruppe der 60-Jährigen zu belasten. In einem Wohlstandsland wie Deutschland können nicht nur die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst für zwei Jahre eine bescheidenere Lohn- und Gehaltssteigerung in Höhe der Inflationsrate verkraften. Modelle, wie die Rente mit 60, werden die Arbeitslosigkeit zusätzlich erhöhen. Ein solcher Konsens würde den Kanzler noch weiter von seinen beschäftigungspolitischen Zielen abbringen.

Dieser Weg der Kompromisslosigkeit bedeutet für Gerhard Schröder das Ende der Koalition. Spätestens nach den Rüstungsexporten werden die Grünen beim Thema Atomausstieg hart bleiben.

Die Grünen sollten nicht vergessen, dass sie auf Grund des Wahlergebnisses ein relativ kleines Bevölkerungsspektrum repräsentieren. Sie könnnen die Politik in Deutschland nicht allzu maßgeblich beeinflussen. Nicht nur die Pläne zum Atomausstieg sind eine ideologische Fehlentwicklung. Das Gleiche gilt für den Rüstungsexport. Man kann nicht hinnehmen, dass andere Länder in ein Nato-Land exportieren, und bei uns findet eine zerstörerische Debatte über dieses Thema statt. Noch einmal: Die SPD ist vom Wähler mit der Regierungsbildung beauftragt worden.

Ohne Rücksichtnahme auf die Grünen platzt die Koalition.

Das kann man nie ausschließen. Aber es gibt ja nach dem Wahlergebnis vom September 1998 auch noch andere Möglichkeiten für eine Regierungsbildung.

Herr Stihl[dass Sie Helmut K], man sagt Ihnen nach[dass Sie Helmut K]

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