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Wirtschaft: Die deutschen Unternehmen sind verunsichert- Experten meinen, wer nicht aufpasst, kann schon bald der nächste Übernahmekandidat werden

ABN Amro reagierte schnell. Kaum hatten sich die Rauchschwaden der Übernahmeschlacht um Mannesmann verzogen, erblickten die Analysten des niederländischen Instituts schon den nächsten Kandidaten für eine unfreundliche Übernahme.

ABN Amro reagierte schnell. Kaum hatten sich die Rauchschwaden der Übernahmeschlacht um Mannesmann verzogen, erblickten die Analysten des niederländischen Instituts schon den nächsten Kandidaten für eine unfreundliche Übernahme. Die Commerzbank. Mit ihrer Tochter Comdirect und einer gut ausgebauten Privatkunden- und Fondsseite (Adig) bringe sie eine lukrative Mitgift sogar in eine erzwungene Ehe. Die für eine Verteidigung ungünstige Aktionärsstruktur (rund 60 Prozent in- und ausländische institutionelle Investoren) spiele feindlichen Angreifern zusätzlich in die Hände.

Das Fusionskarussell in Deutschland hat einen einen neuen Dreh bekommen. Auch feindliche Übernahmen sind nicht mehr tabu. Egal welche Branche, egal welche Größe - niemand scheint vor Angriffen sicher. Aussagen über mögliche Fusionen ballen sich in den Bereichen Pharma/Chemie, Telekommunikation, Automobile, Handel und eben Banken. Trotz der "Alles ist möglich"-Stimmung dürften sich einige Unternehmen relativ sicher fühlen, nicht ohne ihren Willen in Kooperationen verwickelt zu werden. Ein Wert wie Siemens hat sich schon wegen der furiosen Kursentwicklung des vergangenen Jahres ein schönes Polster verschafft. Der Konzern ist auch so verzweigt, dass er nach Ansicht von Analysten für Übernahmen kaum geeignet scheint. Degussa-Hüls sieht aus dem gegenteiligen Grund ebenfalls sicher aus: Das Unternehmen hat im Bereich Spezialchemie eine sehr starke Position. Zudem dürften Übernehmer wegen der zu erwartenden marktbeherrschenden Stellung Probleme mit dem Kartellamt bekommen, sagt Ludger Mues von WestLB Panmure. Darüber hinaus bleibt in einigen Branchen die Phantasie.

Telekommunikation: Theo Kitz von der Privatbank Merck, Finck & Co. sieht mittelfristig sogar das Schwergewicht Deutsche Telekom (244 Milliarden Euro Marktwert) als Übernahmekandidaten. Zwar muss dafür der Bund seine Anteile erst abgeben. Sollte es so weit kommen, läuft die Schonfrist aber schnell ab. Hat das Unternehmen bis dahin kein richtiges Netzwerk ins Ausland geknüpft, stelle dies die schwache Flanke dar. Mögliche Angreifer könnten MCI Worldcom oder SBC Communications heißen, die beide ein festes Standbein in Europa suchen. Im Umkehrschlusss heißt das jedoch, dass die Telekom verstärkt nach internationalen Partnern Ausschau hält. Für den Misserfolg mit Global One muss schnell ein Ausgleich her. Als mögliche Partner sieht Kitz den britischen Netzwerkanbieter Equant oder das amerikanische Netzwerkhaus Global Crossing.

Chemie/Pharma: BASF ist nach Ansicht der Analysten für eine Übernahme zu klein. Analysten der Deutschen Bank können sich vielmehr vorstellen, dass die Ludwigshafener erst einmal mit kleineren Mitspielern wie Schwarz Pharma oder einer Gesellschaft wie Schering zusammengehen, ehe sie für Übernahmen interessant werden können. Schering selbst war in der Vergangenheit immer wieder als Übernahmekandidat im Gespräch.

Automobil: Kommt es in der Automobilbranche zu Abkommen mit DaimlerChrysler, wären Analysten alles andere als überrascht. Daimler befindet sich auf der Suche, und Fiats Verwaltungsratsmitglied Franzo Grande Stevens hatte erst kürzlich bekundet, sein Unternehmen werde "aktiv umworben". Christian Breitsprech, Analyst bei DB Research, kann sich zwischen Fiat und Daimler-Chrysler durchaus einen Handel vorstellen. Feindliche Übernahmen schließt der Experte in der ganzen Branche aus, da sich die potenziellen Übernahmekandidaten überwiegend in Familienbesitz befänden. Die Familie Quandt, die bei BMW das Regiment führt, habe sich ebenso gegen eine Übernahme ausgesprochen wie die Gründerfamilie von Peugeot.

Einzelhandel: In der Branche spreche zur Zeit "jeder mit jedem", sagt Herbert Sturm von der DG Bank. Metro sieht er nicht als potenzielles Opfer einer feindlichen Übenahme. Schließlich würden rund 60 Prozent der Aktien von Firmengründer Otto Beisheim, Haniel und Schmidt-Ruthengbeck gehalten. Branchenkenner vermuten, dass sich diese Aktionärsgruppe für die nächsten fünf Jahre gegen eine Übernahme ausgesprochen habe. Für realistisch hält Sturm dagegen Fusionen und Kooperationen. Eine sinnvolle Kooperation sei eine Fusion von Metro und der französischen Carrefour, da sich beide Unternehmen hervorragend ergänzten und zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für den amerikanischen Wal-Mart-Konzern avancieren könnten. "Die Franzosen sind die Nummer eins in Südamerika und Asien, Metro ist die Nummer eins in Europa und Osteuropa", sagt Sturm. Eine Kooperation mit Wal-Mart schließt er aus. An Metro hänge Beisheims Herzblut.

F. Schönauer, P. Schwarz

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