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Wirtschaft: Die Energie-Konzerne entdecken das Öko-Label

Über die Zukunftsaussichten der Zunft haben Solarstromhersteller wie Wolf von Fabeck im Moment nicht viel Positives zu berichten: Seit die Stromkonzerne mit Billigangeboten den Markt überschwemmen, fürchtet von Fabeck, dass die Betreiber von teuren Photovoltaik-Anlagen und Windmühlen "einfach niedergewalzt werden". Herrscht jetzt, wo das deutsche Strommonopol fällt, Endzeitstimmung im Ökolager?

Von Antje Sirleschtov

Über die Zukunftsaussichten der Zunft haben Solarstromhersteller wie Wolf von Fabeck im Moment nicht viel Positives zu berichten: Seit die Stromkonzerne mit Billigangeboten den Markt überschwemmen, fürchtet von Fabeck, dass die Betreiber von teuren Photovoltaik-Anlagen und Windmühlen "einfach niedergewalzt werden". Herrscht jetzt, wo das deutsche Strommonopol fällt, Endzeitstimmung im Ökolager?

Mitnichten. Während ein Teil der Umweltschützer in Deutschland noch vor dem Untergang der Ökoszene warnt, spüren andere bereits, dass jetzt erst ihre Erfolgsstunde schlägt: Dort, wo in den Vorstandsetagen der Stromkonzerne bis vor kurzem noch Kohle-Lobbyisten das Sagen hatten, drängen mittlerweile die Öko-Verfechter nach vorn. Schon mindestens 60 Stadtwerke und Stromversorger, werben Kunden mit speziellen Ökostrom-Tarifen. Überall in Deutschland werden Ökostrom-Händler gegründet, die den Strom aus ihren Windanlagen und Biomassecontainern vertreiben. Und die ersten "Müslikinder" von gestern bereiten ihren Börsengang vor. Mit der Liberalisierung des Strommarktes, beobachtet Jens Drillisch, Öko-Experte am Kölner Energiewirtschaftlichen Institut, "ist in der Ökobewegung über Nacht die Marktwirtschaft ausgebrochen".

Geld kann man mit dem Umweltstrom zwar noch nicht verdienen. Denn Solarkollektoren und Windräder sind in der Herstellung und im Betrieb noch zu teuer. Eine Kilowattstunde Solarstrom ins Netz zu speisen, kostet rund 1,50 DM, Atomstrom ist dagegen für knapp drei Pfennige zu haben. Doch die umweltbewussten Deutschen glauben an den Ökostrom und investieren ihr Geld langfristig. Schon 5600 Aktionäre konnte die Bad Homburger WRE AG dazu überreden, knapp 110 Mill. DM in die Stromerzeugung aus Wasser- und Windkraft zu investieren. Und auch der Freiburger Solarstromhersteller S.A.G. hat im Sommer seine 3000 Aktionäre mühelos zur Kapitalerhöhung bewegt. Der Grund für den Hoffnungswert Ökostrom, sagt der Wissenschaftler Drillisch, liegt in seinem Marketing-Wert. In einer Zeit, "in der den Verbrauchern klar wird, dass der billigste Strom aus Atomkraftwerken kommt, sind viele Privathaushalte bereit, für umweltfreundlichen Strom ein paar Pfennige draufzulegen und das Engagement der Anbieter zu honorieren". Zwar sind sich die Experten einig, dass die Stromerzeugung aus Wind, Biomasse und Sonne die Zehn-Prozent-Hürde beim Stromverbrauch in den kommenden Jahren nicht erreichen wird.

Dennoch haben die Unternehmer errechnet, dass eine Marktverdopplung kurzfristig möglich ist. Nicht umsonst eröffnet die Shell AG Anfang November Europas größte Solar-Modulfabrik, die sie für 50 Mill. DM in Gelsenkirchen gebaut hat. Und S.A.G.-Chef Harald Schützeichel verspricht seinen Anlegern für 2001 die erste Dividende.

Den Imagewert des Ökolabels haben auch die Regionalversorger längst erkannt. Entweder, sie gründen eigene Öko-strom-Gesellschaften aus, wie etwa die Elektromark Hagen, die mit der Novastrom demnächst auch bundesweit einen Ökotarif anbieten will. Oder sie nutzen gegen Gebühr das Ökosiegel Anderer, wie es etwa die Stadtwerke Hannover mit dem Düsseldorfer Stromhändler Naturstrom AG tun.

Den Hardlinern in der Ökoszene, etwa beim BUND, ist das rege Interesse an Wind- und Sonnenenergie schon suspekt. Einerseits beklagen sie, dass sich die Betreiber konventioneller Kraftwerke nur mit dem Ökostrom schmücken wollen und verweigern jedem Stadtwerk, an dem auch Atomkraftwerksbetreiber beteiligt sind, ihr Öko-Qualitätszertifikat. Und andererseits geißeln Greenpeace und BUND den Import von Norwegischem Wasserkraft-Strom, der ähnlich billig (ca. 5 Pfennige pro Kilowattstunde) wie französischer Atomstrom ist und damit die deutschen Anlagen unter Kostendruck setzt. .

Zum Prüfstein der Wettbewerbs-Willigkeit der deutschen Umweltszene wird jedoch die Neufassung des Stromeinspeisegesetzes. Das Bundesgesetz legt die Preise, die die Stromkonzerne für die Einspeisung von Ökostrom an die Anlagenbetreiber zahlen müssen, heute noch bei rund 90 Prozent der deutschen Durchschnittspreise fest. Weil jetzt die Strompreise nach unten purzeln, droht den Ökostrom-Herstellern der wirtschaftliche Exodus. In der kommenden Woche wollen die Regierungsfraktionen mit dem Bundeswirtschaftsminister zusammenkommen, um die Gesetzesnovelle vorzubereiten. Wie in Zukunft Ökostrom in das Netz der Stromkonzerne fliessen soll, darüber sind sich die Koalitions-Politiker schon einig: Statt der Gleitklausel sollen künftig Festpreise für die Anlagenbetreiber verabredet werden. Geht das Gesetz so durch den Bundestag, wettert bereits der Verband der Energieunternehmen VDEW, "wäre der neue Wettbewerb in der Ökobranche gleich wieder tot".

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