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Streit der Ökonomen: „Die Finanzmärkte jubeln“

Die Ökonomen Sinn und Krämer wehren sich gegen die Kritik an ihrer Kritik der deutschen Krisenpolitik und bekräftigen ihre Befürchtung: Deutschland könnte zur Rettung maroder Banken in anderen Ländern herangezogen werden.

Berlin - „Entschieden“ weisen Hans-Werner Sinn und Walter Krämer die „Anschuldigungen“ zurück; sie sind sich ihrer Sache sicher. Die beiden Initiatoren eines sorgenvollen Aufrufs gegen die europäische Krisenpolitik, dem sich hierzulande inzwischen gut 200 Ökonomen angeschlossen haben, verteidigten am Dienstag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ihre Argumentation. Denn diverse Kollegen hatten Ifo-Chef Sinn und dem Dortmunder Statistiker Krämer eine falsche Interpretation der letzten Gipfelbeschlüsse sowie emotional geprägte Polemik und überhaupt Panikmache vorgeworfen. Kurzum: Das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit.

Im Kern geht die Auseinandersetzung um die Rolle des Rettungsschirms ESM bei Hilfsaktionen für Banken. In der Gipfelerklärung heißt es dazu, dass nach der Einrichtung eines einheitlichen „Aufsichtsmechanismus für Banken der ESM nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit hätte, Banken direkt zu rekapitalisieren“. Für Sinn und Krämer ist die Lage damit klar: Mittel des ESM werden direkt für die Rekapitalisierung der Banken verwendet. Als Beleg für diese Interpretation führen die beiden die Märkte an, die den „Beschluss euphorisch aufgenommen“ hätten. Und überhaupt würde „überall auf der Welt“ die Gipfelerklärung so interpretiert wie von den beiden deutschen Ökonomen und ihren Mitstreitern.

Wenn dann künftig der ESM und nicht mehr die Gläubiger und Aktionäre marode Banken finanzieren, dann wird „Deutschland in eine finanzielle Verantwortung“ hineingezogen, „aus der es sich später nicht wieder wird befreien können“. „Der Jubel der Kapitalmärkte über die Bereitschaft Deutschlands, die Verluste mit seinem Geld auszugleichen, sollte die deutschen Bürger genauso sorgenvoll stimmen wie uns.“

Krämer
Krämer

© dapd

Dass eine derartige Haftung in den Beschlüssen nicht erwähnt wird, kümmert Sinn/Krämer nicht: Die Pleitestaaten und -banken im Süden Europas werden sich „sämtlicher Töpfe des ESM bedienen, die aufgestellt werden, und bei einer drohenden Leerung so lange drängeln, bis sie wiederaufgefüllt werden“. Natürlich von den Deutschen, so die Befürchtung der beiden, die die Geschichte des Euro „als eine Geschichte fortwährender Verletzungen von Verträgen“ lesen. Und „nicht verstehen, woher die deutsche Regierung und einige unserer Kollegen die Hoffnung nehmen, dieses Mal könnte alles anders sein“.

Zum Verständnis könnte eine „Stellungnahme zur Europäischen Bankenunion“ beitragen: Gut 100 Ökonomen plädieren darin für eine „Entkopplung von Staatsfinanzen und Kreditversorgung“, die Refinanzierung der Banken dürfe nicht länger den hoch verschuldeten Staaten aufgebürdet werden. Hier ist von einer „Europäisierung der Kreditversorgung“ die Rede, von „einheitlichen Regulierungsstandards“ und einer Bankenunion. „Es darf dabei keinesfalls um eine Vergemeinschaftung der Haftung für Bankschulden gehen.“ Aber ein „Restrukturierungsfonds“ und eine „europäische Einlagensicherung“ könnten zur Stabilität des Finanzsystems beitragen.

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