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Wirtschaft: „Die Industriestaaten müssen sich öffnen“

Der G-8-Gipfel soll endlich einen Durchbruch für die Welthandelsrunde bringen, fordert Ex-Daimler-Vorstand Manfred Gentz

Berlin - Der Deutschland-Präsident der Internationalen Handelskammer (ICC), Manfred Gentz, fordert von den G-8-Staaten ein klares Bekenntnis zum weltweiten Abbau von Handelsbarrieren. „Das wichtigste Ziel der Gespräche der führenden Industrieländer sollte es sein, der Doha-Runde zum Durchbruch zu verhelfen“, sagte Gentz im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Hier müsse ein Signal von Heiligendamm ausgehen.

Die multilateralen Gespräche für einen freieren Welthandel unter Leitung der Welthandelsorganisation (WTO) sind im Juni 2006 ins Stocken geraten und vorübergehend ausgesetzt worden. Die Staats- und Regierungschefs von USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Russland treffen sich kommende Woche, um über globale Probleme zu sprechen. Dabei strebt die deutsche Präsidentschaft auch eine gemeinsame Erklärung zum Welthandel an.

Ein endgültiges Scheitern der Welthandelsrunde wäre ein schwerer Rückschlag für das globale Handelssystem und würde protektionistische Tendenzen befördern, warnte der frühere Daimler-Chrysler-Finanzchef Gentz. „Aber ich bin zuversichtlich, dass Doha nicht platzt.“ Dazu sei es jedoch notwendig, dass sich alle Beteiligten aufeinander zu bewegten. „Nicht nur die Schwellen- und Entwicklungsländer, auch die Industriestaaten müssen sich öffnen“, forderte der ICC-Präsident. „Die Blockade geht von beiden Seiten aus. Aber die reichen Länder müssen bereit sein, ihre Türen aufzustoßen und Importschranken etwa für afrikanische Produkte zu beseitigen.“

Zölle müssten abgebaut und Subventionen, vor allem im Agrarbereich, auslaufen. Europa, und hier besonders Frankreich, zahle immer noch in erheblichem Maße Subventionen an seine Landwirte, „eine verschwindende Minderheit“. Derzeit wird die Hälfte des EU-Haushaltes dazu verwendet, landwirtschaftliche Produkte zu subventionieren. „Und die Amerikaner sind da fast noch schlimmer mit ihrer Baumwolle“, sagte Gentz. Auf diese Weise könnten Entwicklungsländer ihre Erzeugnisse auf den Weltmärkten nicht loswerden.

Andererseits gebe es Schwellenländer wie China oder Indien, die ihrerseits Einfuhren von Industrieprodukten mit hohen Zöllen versähen. Auch diese Handelshemmnisse müssten beseitigt beziehungsweise reduziert werden, forderte Gentz.

Der Manager zeigte Verständnis für die Lage der Entwicklungsländer: Für die ärmsten Staaten müssten rasch Schranken wie Importzölle beseitigt werden. Gleichzeitig bedürften diese noch eines gewissen Schutzes, um überhaupt erst auf dem Weltmarkt Fuß fassen zu können. Das sei sinnvoller, als einfach nur Geld zu überweisen. Ein Beispiel für funktionierende Hilfe seien dagegen Mikrokredite. Dabei hilft man vorwiegend Frauen dabei, Geschäfte aufzubauen und Handel zu treiben.

Ein Erfolg von Doha werde insbesondere ein Erfolg für die armen Länder werden. „Denn dort, wo Handelsbarrieren abgebaut werden, sinkt der Grad der Armut“, sagte Gentz und verweist auf eine UN-Studie. Danach verzeichneten jene Entwicklungsländer, die sich komplett abgeschottet haben, die schlechteste wirtschaftliche Entwicklung. Eine sehr schnelle Öffnung der Entwicklungsländer führte zur Erhöhung der Armut. Entwicklungsländer mit einer schrittweisen Öffnung schnitten dabei am besten ab, da die Volkswirtschaften die Möglichkeit hatten, sich langsam an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Die 1919 gegründete ICC mit Sitz in Paris ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Unternehmen und Verbänden aus aller Welt. Sie setzt sich für einen liberaleren Welthandel ein und für die Einhaltung von Regeln im internationalen Waren- und Dienstleistungsaustausch. In Deutschland sind nach Angaben der ICC fast alle Dax-Unternehmen und die meisten Verbände und Kammern Mitglieder. Weltweit haben sich demnach Firmen aus 130 Ländern angeschlossen. Juliane Schäuble

Juliane Schäuble

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