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Wirtschaft: Die Kinder zuerst

Tausende Scheidungen liegen auf Eis, weil das neue Unterhaltsrecht aussteht. 2008 könnte es kommen

Berlin - In den Anwaltskanzleien ist der Teufel los. „Es ist eine Katastrophe“, sagt die Familienrechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek. Von einem „unerträglichen Zustand“ spricht der Familienrichter Gerd Brudermüller. Weil sich die Koalition bislang nicht darüber einigen konnte, wie das neue Unterhaltsrecht aussehen soll, liegen tausende Scheidungsverfahren auf Eis. Doch jetzt können die Betroffenen hoffen. Nach Informationen des Tagesspiegel am Sonntag sind sich SPD und Union in den vergangenen Wochen deutlich nähergekommen.

„Ich bin überzeugt, dass wir noch in diesem Jahr eine Einigung finden“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Stünker, dieser Zeitung. Auch der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU, Johannes Singhammer, zeigte sich zuversichtlich. „Wir bemühen uns, rasch zu einem Ergebnis zu kommen“, sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel am Sonntag. Schon am 1. Januar 2008 soll das neue Gesetz nach dem Willen Singhammers in Kraft treten.

Dass etwas passieren muss, ist allen klar. Denn das Hickhack um das neue Unterhaltsrecht lässt Tausende von Vätern und Müttern, die vor einer Scheidung oder Trennung stehen, ratlos zurück. Auch an den Gerichten herrscht Konfusion, berichtet Ingeborg Rakete-Dombek, die beim Deutschen Anwaltverein die Arbeitsgruppe Familienrecht leitet. „Einige Richter stellen sich schon jetzt auf das neue Recht ein und befristen die Dauer des Unterhalts, andere machen so weiter wie immer“, weiß die Berliner Anwältin. „Es gibt im Moment keine Rechtssicherheit.“

Dabei hatten sich die Rechts- und Familienpolitiker der Regierungsfraktionen bereits im März auf einen Kompromiss geeinigt. Nach einer Scheidung oder Trennung sollten alle Kinder, egal ob ehelich oder nichtehelich, gleich behandelt werden. Gegen den Willen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die Ehen mit und ohne Trauschein auf eine Stufe stellen wollte, konnte die Union jedoch eine Besserstellung der geschiedenen Ehefrau verteidigen. Sollte nach einer Scheidung das Geld nicht für alle reichen, sollten erst sämtliche Kinder, dann die Ex und erst danach die unverheiratete Partnerin versorgt werden. Die politisch mit großen Mühen errungene Reform sollte am 1. Juli in Kraft treten. Doch dann kam das Bundesverfassungsgericht dazwischen. Ende Mai entschieden die Richter, dass eheliche und nichteheliche Kinder im Unterhaltsrecht gleich behandelt werden müssen. Dann dürfen aber auch die Mütter oder Väter nicht unterschiedlich behandelt werden, meinte Zypries.

Mitte Juni verschickte die Ministerin daraufhin einen „Formulierungsvorschlag“ für ein neues Gesetz. Wie erwartet, stellt sie geschiedene Ehepartner und nichteheliche Lebenspartner unterhaltsrechtlich auf eine Stufe. Um die Familienpolitiker der Union ins Boot zu holen, will sich die SPD jedoch angeblich bei der Länge des Unterhalts bewegen. Bei einer klassischen Alleinverdienerehe soll der Partner, der den Haushalt geführt hat, Vertrauensschutz genießen. Statt sich umgehend einen Job zu suchen, darf der oder die Ex länger vom Unterhalt leben. Ein möglicher Kompromiss? Die Politik steht unter Druck. „Wir spüren die Erwartungen der Menschen“, sagt Singhammer. Und er räumt ein: „Sie sind auch berechtigt.“

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