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Wirtschaft: "Die Krise ist schon da" - Währungsgegner Starbatty fühlt sich bestätigt

Joachim Starbatty ist Professor für Volkswirtschaft in Tübingen. Um den Euro zu verhindern, zog er bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Joachim Starbatty ist Professor für Volkswirtschaft in Tübingen. Um den Euro zu verhindern, zog er bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Herr Starbatty, jetzt wird der Euro ein Jahr alt, aber so schlecht geht es uns gar nicht. Wie lange müssen wir noch auf die große Krise des Euro warten?

Die Krise ist ja schon da. Denn das Versprechen der Politiker, der Euro werde stabil, ist nicht eingetreten. Wir haben eine Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar um 20 Prozent. Vorher ist eine vollkommen andere Erwartung geweckt worden. Es hieß, jetzt wolle alle Welt den Euro haben, weil er so attraktiv sei. Und jetzt sind wir bei 1:1.

Was sind die Gründe für die derzeitige Schwäche des Euro?

Das ist die Politik-Performance, also die Darstellung in der Öffentlichkeit. Rente mit 60 macht sich natürlich bemerkbar und generell die Tatsache, dass an den Arbeitsmärkten nicht flexibilisiert wird. Auch das Eingreifen der Politik im Fall des maroden Baukonzerns Philipp Holzmann spielt eine Rolle. Das ist ein Signal: Das Sichern von Arbeitsplätzen wird bei uns höher bewertet als die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Welche Folge hat das für den Euro?

Es sind ja immer Stimmungen, die eine Rolle spielen. Und die Stimmung ist so, dass man sagt: Das sind schwache Volkswirtschaften. Und die Währungen dieser schwachen Kandidaten werden einfach abgewertet.

Sie würden Deutschland als schwachen Kandidaten im Euroland bezeichnen?

Ja.

Wer ist der stärkste Kandidat?

Die kleineren Länder, die jetzt gezwungen wurden, ihre Hausaufgaben zu machen. Die Holländer haben beispielsweise ihre Hausaufgaben gemacht, was die Arbeitsmärkte angeht. Die großen, Italien, Frankreich, Deutschland, sind jetzt die Lahmen.

Was müsste die deutsche Politik jetzt tun?

Bundeskanzler Gerhard Schröder soll erstens sagen: Die Rente mit 60 ist Quatsch. Wir haben die kürzeste Lebensarbeitszeit in der Welt und die kürzeste Wochenarbeitszeit, jetzt sollen wir nochmal kürzer arbeiten, damit mehr Arbeit zur Verfügung steht. Dabei weiß jeder, dass das Rezept nicht funktioniert. Das führt nur dazu, dass die Rentenkassen stärker belastet werden. Außerdem soll er den Haushalt kürzen, indem er den Umbau der Sozialsysteme wagt. Er soll sie krisensicher machen.

Nicht alle sehen die Schwäche des Euro negativ. Die Börsianer sind begeistert, die Exporteure freuen sich - gibt es jemanden, der unter der Schwäche des Euro wirklich leidet?

Man muss das über einen längeren Zeitraum betrachten. Eine Inflation bedeutet höhere Importpreise, bedeutet eine Benachteiligung der Konsumenten. Und wenn die Zinsen erhöht werden müssen, sind die Gewinne wieder weg, die aus der Abwertung kommen.

Wann werden wir das zu spüren bekommen?

Ich denke, dass das noch ein halbes Jahr oder ein Jahr dauern wird. Aber vor allem muss man jetzt sehen: wie geht es weiter? Wenn der Euro sich weiter abschwächt, dann wird es wirklich kritisch, weil dann auch die einfachen Leute anfangen, von D-Mark in Dollar oder von französischem Franken in Dollar umzuschichten.

Vor einem Jahr haben Sie vor einer Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung gewarnt, befürchten Sie die immer noch?

Eine Verarmung ist erst auf lange Zeit zu erwarten, wenn die Inflationsrate wirklich hoch ist.

Jetzt ist der Euro auf den Weg gebracht, es sieht so aus, als könnte niemenand ihn mehr stoppen. Sehen Sie das anders?

Er kann natürlich durch die Länder selbst gestoppt werden, wenn die Krisen kommen. Und nehmen wir an, die "amerikanische Blase" platzt und die Aktienkurse brechen zusammen, dann hat das Konsequenzen, die auf ganz Südostasien zurückgreifen. Und wenn Südostasien noch einmal in Mitleidenschaft gerät, dann hat das auch Konsequenzen für den Euro. Die entscheidende Frage ist dann, ob diese elf Länder eine gemeinsame Antwort finden auf die Krisen, die von außen kommen.

Was denken Sie im Moment? Trauen Sie den europäischen Ländern das zu?

Nein, das traue ich ihnen nicht zu.

Was wäre die Folge?

Die Folge wäre, dass die Länder sagen, dann machen wir lieber was eigenes und den Euro nicht. Die normative Kraft des Faktischen ist dann so groß, das auch die Verträge nicht mehr halten. Das ist die Existenz des Euro gefährdet. Dann werden die Länder herausgehen, die eine solche Politik nicht mitmachen.

Ihre Prognose für das Jahr 2000? Was denken Sie, wie der Euro sich entwickeln wird?

Der Euro wird wahrscheinlich so bei 95 Cent liegen.

Ist das gefährlich, oder kann man damit leben?

Langfristig ist das eine Unterbewertung der D-Mark, mit inflatorischen Folgen. Der Euro wird dann eben nicht den Dollar ablösen, sondern eine schwache Währung bleiben.

Herr Starbatty[jetzt wird der Euro ein Jahr alt]

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