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Wirtschaft: Die lebende Legende des koreanischen Aktienmarktes

MOKPO/SÜDKOREA .Die meisten Händler folgen Marktindikatoren.

MOKPO/SÜDKOREA .Die meisten Händler folgen Marktindikatoren.Auf dem südkoreanischen Aktien-Futures-Markt ist der Händler Jang Ki Chul ein solcher Indikator.Als im vergangenen August das Gerücht kursierte, Jang sei aus dem Urlaub zurückgekehrt, kam es zu einem Aufschwung auf dem Future-Markt."Die Leute erwarteten, daß mit ihm der Markt wieder anzieht", sagte Lee Jong Bak, ein Händler des Wertpapierhauses Shinyoung an jenem Tag.Allerdings waren die Händler falsch informiert: Jang war noch nicht zurückgekehrt.

Während Aktienhändler und Anleger rund um die Welt durch die Krise in Asien Schläge einstecken, spielt Jang ein anderes Spiel im Tumult der Aktien-Futures-Märkte.Er hat ein Händchen zum Geldmachen, egal ob die Kurse nach oben oder nach unten gehen.Und er handelt mit gewaltigen Mengen.An einem Zeitpunkt im vergangenen Jahr war Jang für 30 Prozent des Handelsvolumens verantwortlich.Und das ist keine geringe Leistung, denn der südkoreanische Aktien-Futures-Markt ist nach Angaben des amerikanischen Verbandes der Futures-Branche weltweit der zweitgrößte, was das Handelsvolumen anbelangt.

Jang spielt eine so wichtige Rolle, daß die Finanzautoritäten aus Südkorea ihn im vergangenem Jahr gebremst haben."Jedes Mal, wenn etwas Ungewöhnliches auf dem Markt passierte, machte man mich dafür verantwortlich", sagt er.Nach einer Untersuchung erklärte die südkoreanische Börse, man habe nichts Rechtswidriges gefunden.Nichtsdestotrotz forderten ihn seine Chefs im Wertpapierhaus Daishin auf, sich künftig zurückzuhalten.Seitdem hat Jang sein Handelsvolumen verringert.Zudem ließ man in seinem Büro eine Glaswand um seinen Arbeitsplatz errichten, um ihn vor verrückten Anlegern zu schützen, die von ihm Markttips haben wollen.

Vor allem verzweifelte Einzelhändler haben das Marktwachstum von Futures auf dem seit fast drei Jahren bestehenden südkoreanischen Markt angeheizt.Von diesem Boom hat niemand mehr profitiert als Jang und sein Arbeitgeber, das Wertpapierhaus Daishin.Jang hat nach Angaben seiner Firma zwischen April und September des vergangenen Jahres 9,4 Mrd.Won als Courtage für Daishin verdient.

Doch was die Broker in Seoul mehr imponiert als Jangs Handelsvolumen und die hohen Prämien ist, wie weit es der Südkoreaner mit seiner bescheidenem Herkunft gebracht hat.Jang wurde in der kleinen Hafenstadt in der südwestlich gelegenen Provinz Cholla geboren, ein rückständiges Nest fernab von dem geschäftigen Seoul, wo er noch immer lebt.Südkorea ist ein Land, in dem es von der Ausbildung und der Herkunft abhängt, ob man Karriere macht.Die meisten Konkurrenten von Jang sind mit Abschlüssen von Top-Universitäten und Futures-Kursen in Chicago gewappnet.Dagegen hat Jang nur die höhere Handelsschule in Mokpo besucht, wo er Fähigkeiten wie etwa die Benutzung einer alten mechanischen Rechenmaschine, des Abakus, erlernte.Nach dem Abschluß hat er sofort als Angestellter beim Wertpapierhaus Daishin in Seoul angefangen, denn sein Vater war gestorben, als er elf Jahre alt war und er mußte seine Mutter und seine vier Geschwister unterstützen.Nach seinem Militärdienst wurde er Aktienbroker, doch sein großer Durchbruch kam, als der Futures-Markt eröffnet wurde."Man braucht dafür keinen Universitätsabschluß", sagt Jang.

Trotz seiner Prominenz bleibt der 31jährige Jang den südkoreanischen Händlern ein Rätsel.Sie haben ihm verschiedene Spitznamen gegeben - Mokpos Tränen (nach einem bekannten koreanischen Lied), Mokpos Camdessus (nach dem Dirketor des Internationalen Währungsfonds) und Mokpos dünnbeiniger Tintenfisch (eine Spezialität der Region), um nur einige zu nennen."Er ist so erfolgreich, obwohl er nur einen Highschool-Abschluß hat", sagt ein Händler des Wertpapierhauses Hyundai in Seoul."Warum kann ich es ihm nicht gleichtun?" Nicht jeder Händler ist ein Fan von Jang."Er ist so erfolgreich, daß einige Futures-Händler versuchen, gegen ihn zu setzen und ihn scheitern zu lassen".

Was ist sein Geheimnis? Jang sagt, er hätte ein unheimliches Gespür dafür, zu erraten, wie sich die Aktienkurse entwickeln.Mit Aktien-Futures wettet man darauf, wo die Aktienkurse zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft stehen werden."Ich kann den Markt lesen", sagt der gewinnende Jang."Ich denke, es ist ein Gottesgeschenk."

Was Jang gut liest, sind die Zahlen des Aktienmarktes: Die Positionen seiner Konkurrenten - Investmentfonds, Banken, Versicherungsunternehmen - die Entwicklung des Handelsvolumens, der Blue-chip-Aktien und der Aktienindices."Ich schaue auf all diese Faktoren und fühle den Markt", sagt Jang."Wenn ich die Tendenz herausgefunden habe, handle ich schnell."

Seine größten Gewinne hat Jang gemacht, als die Aktienkurse durch die südkoreanische Wirtschaftskrise in eine Abwärtsfahrt gerieten."Wenn die Tendenz der Aktienkurse so eindeutig ist, ist es einfach, mit Futures viel zu verdienen", sagt Jang.Zwischen Juli und Dezember 1997, als Südkorea fast den Schuldendienst seiner Auslandsschulden aussetzen mußte, fiel der Korea Stock Price Index (Kospi) um die Hälfte.Bei fallenden Kursen können Anleger schnell Geld verdienen, indem sie einen Futures-Kontrakt verkaufen, diese Position halten, bis der Kurs fällt und den Kontrakt zu einem niedrigeren Kurs zurückkaufen.Die Spanne zwischen dem Verkaufs- und Kaufpreis ist der Gewinn.Während Südkorea mit dem IWF über ein großes Hilfspaket verhandelte und Manager Selbstmord begingen, weil das Vermögen ihrer Unternehmen dahinschwand, machte Jang zehnfache Gewinne für die 40 Kunden, die er zu der Zeit hatte.Seine Strategie? "Ich wußte, wann ich meine Verluste beschränken mußte.Das ist meine Grundregel, die ich nie breche", sagt er.Wenn der Markt keine klare Tendenz aufweist, handelt Jang kurzfristig, indem er täglich bis zu 200 Kontrakte kauft und verkauft und sämtliche Positionen glattstellt, bevor er nachhause geht.

Trotz seines plötzlichen Wohlstandes will Jang auf keinen Fall wie ein König leben.Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Mokpo in einem mittelgroßen Wohnung mit drei Schlafzimmern."Wir brauchen nicht mehr Platz", sagt er.Zum Mittagessen setzt er sich in ein Nebenzimmer von der Größe einer Abstellkammer und ißt Nudeln aus schwarzem Bohnenteig für weniger als drei Dollar.

In seinem Glasraum genießt Jang den täglichen Adrenalinstoß des Handels.Um seine Nerven zu beruhigen, bohrt er Löcher in das Polster seiner Armlehne.Die meisten der Stühle im Raum sehen aus, als hätten Mäuse sie angenagt.Nach Angaben seiner Arbeitskollegen bringt er im Jahr vier Stühle durch.Wie lange will Jang arbeiten? "Ich werde aufhören, wenn ich mein Vertrauen in den Markt verliere; doch bislang macht es mir Spaß", sagt Jang.Für dieses Jahr erwartet er einen Aktienboom in Südkorea."Aber man muß vorsichtig sein.Auch auf einem Bullenmarkt kann man Geld verlieren", sagt er."Vor allem, wenn man zu gierig ist.

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Korea, Blair) und Svenja Rothley (Inflation, Schröder).

JANE L.LEE

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