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Wirtschaft: „Die Leute wollen immer nur das Billigste“

Beiersdorf-Chef Rolf Kunisch über den Wert von Nivea, das Verhältnis zu den Discountern und den Übernahmekampf ums Unternehmen

Herr Kunisch, wenige kennen Beiersdorf, aber jeder kennt Nivea. Was ist eine Marke wie Nivea wert?

Das ist schwer zu sagen. Aber über den Daumen gepeilt würde ich sagen knapp acht Milliarden Euro. Das ist der dreifache Jahresumsatz.

Was hat Sie das gekostet?

100 Jahre Erfahrung, viel Innovation und eine Menge Werbegeld pro Jahr.

Wie viel Geld stecken Sie in die Werbung?

Das ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland müssen Sie pro Jahr rund 50 Millionen Euro für die Werbung ausgeben. Aber wir sind in 70 Ländern vertreten. Die sind jedoch verschieden groß, deshalb gibt es unterschiedliche Etats.

Nivea ist eine deutsche Marke. Wie baut man eine solche Marke global auf?

So richtig deutsch ist die Marke eigentlich gar nicht. Die allerersten Warenzeichenrechte kommen aus Frankreich. Und das Besondere ist: Die Marke wird heute in Spanien, Frankreich oder Polen nicht als deutsche, sondern als nationale Marke empfunden.

Spanier oder Japaner wissen nicht, dass hinter Nivea ein deutsches Unternehmen steht?

Das wird nicht so empfunden – anders als bei CocaCola. Wir verkaufen nicht den „German Way of Life“. Wir verkaufen einen nationalen Freund.

In Ihrem Konzern gibt es globale und regionale Marken. Muss eine regionale Marke wie Florena fürchten, als erste eingestellt zu werden, wenn Ihre Geschäfte eines Tages nicht mehr so gut laufen?

Nein. Als erstes müssten schwache Marken dran glauben. Es geht nicht darum, ob eine Marke global oder regional aufgestellt ist, sondern ob sie führend ist oder nicht.

Was heißt führend?

Sie muss Nummer eins oder Nummer zwei im jeweiligen Markt sein. Eine führende Marke kann gutes Geld verdienen, auch wenn sie nur regional verkauft wird. Nehmen Sie Labello. Das ist unsere erfolgreichste regionale Marke. Labello gibt es nur in Zentraleuropa. In Deutschland und Italien hat Labello einen Marktanteil von 80 Prozent. Diese Marke ist also überhaupt nicht gefährdet.

Welche Marken sind denn gefährdet?

Die Marken, die nur Nummer vier oder fünf auf dem Markt sind.

Sind alle Ihre regionalen Marken stark genug?

Manche sind stärker als andere. Die stärkste ist 8x4, die ist im Deo-Bereich Marktführer in Japan. Es gibt keine andere deutsche Marke, die in irgendeinem Bereich Marktführer in Japan wäre. Atrix ist stark in Deutschland, Spanien, Österreich und in der Schweiz. Aber in Osteuropa haben wir Atrix nicht eingeführt, dort verkaufen wir lieber „Nivea Hand“. Juvena spielt nur in Deutschland eine Rolle und könnte besser laufen.

Ihr Umsatz und Ihr Gewinn sind in den vergangenen Jahren regelmäßig gewachsen. Nur in Deutschland läuft das Geschäft nicht mehr so gut. Liegt das an den Discountern?

Nein, starke Marken und Discounter können gut nebeneinander existieren, und beide können wachsen. Kaputt gehen die Zwischenmarken.

Woran liegt es dann?

Das Deutschland-Geschäft wächst schon seit vielen Jahren nicht mehr besonders und seit zwei Jahren gar nicht mehr. Die Leute glauben, sie müssten immer das Billigste kaufen, und vergessen, dass dabei Innovationen auf der Strecke bleiben. Bei einem Discounter können Sie keine Innovationen kaufen.

Verdienen Sie nur noch im Ausland?

Nein, wir verdienen auch in Deutschland gutes Geld. Aber das Wachstum findet inzwischen ausschließlich außerhalb Deutschlands statt.

Arbeiten Sie mit Discountern zusammen?

Nein. Wir produzieren keine Handelsmarken, und wir arbeiten auch nicht mit Discountern für deren Marken. Aldi führt uns nicht. Die einzige Ausnahme ist tesa. Hier gibt es ein oder zwei Mal im Jahr Aktionen mit Aldi, aber erkennbar unter dem Namen tesa.

Dass Beiersdorf erfolgreich arbeitet, haben auch andere bemerkt. Seit mehr als einem Jahr sind Sie Gegenstand von Übernahmegerüchten. Schmeichelt Ihnen das?

Nein, schmeichelhaft ist, wenn man auf dem Markt Erfolg hat und in den vergangenen zehn Jahren aus eigener Kraft seinen Umsatz verdoppeln konnte. Wir sind bisher in jedem Jahr um acht Prozent aus eigener Kraft gewachsen, die großen Konkurrenten schaffen gerade einmal drei Prozent.

Deshalb sind ja einige Unternehmen an Ihnen interessiert. Wohin wollen Sie denn am liebsten? Zu Unilever, Procter, Johnson & Johnson, L´Oreal oder zu Tchibo?

Ich möchte zu keinem Mitwettbewerber. Ich möchte unser Erfolgsmodell fortsetzen.

Aber wäre denn nicht jeder Erwerber schlecht beraten, wenn er Sie nicht in Ruhe weiter arbeiten ließe?

Ja, aber so läuft das Geschäft nicht. Gucken Sie doch mal, was aus Blendax geworden ist, nachdem die Firma von Procter & Gamble übernommen wurde. Den meisten Käufern geht es nur um die Marke. Was dahinter steckt – Forschung, Entwicklung, Arbeitsplätze in der Produktion – zählt nicht. Was sind denn die vermeintlichen Synergien? Doch nichts anderes als der Abbau von Arbeitsplätzen und das Schließen von Produktionsstätten.

Sie haben kürzlich Ihre Groß-Aktionäre Allianz und Tchibo aufgefordert, zu erklären, wie es mit Ihnen weitergeht. Haben Sie inzwischen Klarheit bekommen?

Nein. Aber ich habe die Aktionäre auch nicht von mir aus aufgefordert, Stellung zu nehmen. Ich bin ständig gefragt worden und habe dann schließlich gesagt, dass ich gern in absehbarer Zeit wüsste, was die Großaktionäre wollen. Mehr habe ich nicht getan.

Und: Hat die Allianz reagiert?

Nein.

Sie haben kürzlich eine Zusammenarbeit mit Henkel ins Spiel gebracht. Ist das Ihr Ernst?

Ich habe Henkel überhaupt nicht ins Spiel gebracht, ich bin gefragt worden. Wir planen keine Kooperation mit Henkel.

Belastet Sie die Hängepartie?

Ja, das drückt auf die Stimmung. Wenn wir zu unseren Kunden gehen, müssen wir ständig darüber diskutieren, ob es sich noch lohnt, für uns zu werben oder ob man nicht gleich Aufbauten für den Konzern x,y,z machen sollte. Da ist natürlich viel Frotzelei im Spiel, aber solche Geplänkel kosten Zeit.

Das Interview führte Heike Jahberg.

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