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Wirtschaft: Die Medienbranche verliert ihre Hauptdarsteller

Kirch, Vivendi, AOL Time Warner – und jetzt Bertelsmann: Die Werbeflaute bremst den rasanten Expansionskurs der einst gefeierten Medien-Manager

Berlin. Die Krise der Medienindustrie hat zum großen Stühlerücken in den Chefetagen der Konzerne geführt. Ob bei Kirch, Vivendi, AOL Time Warner oder jetzt bei Bertelsmann: Die Vorstände, die in den vergangenen Jahren für den rasanten Wachstumskurs der Industrie verantwortlich waren, werden ausgewechselt. „Die Zeit des Wachstums ist vorbei“, sagt Medienwissenschaftler Horst Röper. Es sei symptomatisch, dass bei Bertelsmann nun mit Gunter Thielen ein Manager das Sagen habe, der den ältesten Zweig des Medienkonzerns, das Druckerei-Geschäft, repräsentiere.

Back to the roots. Auch beim jüngsten Führungswechsel im größten Medien-Unternehmen der Welt, AOL Time Warner, erlebten die Traditionalisten ein Comeback. Der Anfang 2001 aus dem Medienurgestein Time Warner und dem Internet-Unternehmen AOL zusammengeschweißte Konzern wird nun wieder von den Time-Warner-Managern geleitet. Robert Pittman, führender Mann bei AOL, musste an der Konzernspitze weichen und Don Logan Platz machen, einem erfahrenen und altgedienten Zeitschriften-Profi. Die AOL-Fahne hält nur noch Gründer und Ex-Chef Steve Case als Aufsichtsratsvorsitzender hoch. Er hatte sich vor anderthalb Jahren sicher mehr versprochen, als er die hoch bewerteten AOL-Aktien für den Kauf von Time Warner einsetzte. Die einst willkommenen öffentlichen Aufritte des Unternehmer-Stars sind selten geworden.

Aus der Verschmelzung der New mit der Old Economy ist nichts geworden, zumindest nicht so viel, wie sich Case versprochen hatte. Zwischen den Abteilungen des zusammengekauften Konzerns soll es zuletzt heftige Auseinandersetzungen über den Kurs des Medien-Konglomerats gegeben haben. Die Aktie stürzte ab, AOL TimeWarner musste Abschreibungen in Höhe von 54 Milliarden Dollar verkraften und sich vor den Bilanzprüfern der Börsenaufsicht rechtfertigen. Robert Pittman wurde an der Vorstandsspitze zum Verantwortlichen für die Misere erklärt – und entlassen.

Sanierung statt Expansion

Ähnlich drastisch endete die Karriere von Jean-Marie Messier, dem charismatischen Vorstandschef des französisch-amerikanischen Mischkonzerns Vivendi Universal. Anfang Juli wurde Messier von seinem Aufsichtsrat geschasst, nachdem sich bei den Eigentümern die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass Vivendi nicht weiter wachsen, sondern dringend saniert werden muss. Messiers Strategie, das Versorgungsunternehmen mit Zukäufen im Wert von 77 Milliarden Dollar zu einem weltweit operierenden Medienkonzern auszubauen, ging nicht auf. Am Ende türmte sich ein gigantischer Schuldenberg auf. Die Börse ließ die Aktie fallen. Zu heiß war den Anlegern das Investment mitten in der schlimmsten Krise der Branche seit 40 Jahren geworden. Der ehemalige Aventis-Manager Jean-René Fourtou, Repräsentant der alten Ökonomie, soll Vivendi nun wieder auf Kurs bringen.

Sanierung statt grenzenlosem Wachstum, das steht auch bei der insolventen Kirch-Gruppe auf der Tagesordnung. Die Expansions-Manager sind abgetreten, der Firmenpatriarch Leo Kirch hat den Insolvenzverwaltern die Abwicklung seiner Milliarden-Pleite übergeben. Dieter Hahn, Vertrauter Kirchs und treibende Kraft beim Einstieg des hoch verschuldeten Münchener Unternehmens in die Formel1 und bei der Fußball-Vermarktung, musste gehen. Meistbietend wird nun der gesunde Rest der Gruppe an neue Investoren verkauft.

Ungemütlich könnte es auch in den Vorstandsbüros der britischen Mediengruppe Pearson werden, sollte die Werbeflaute anhalten. Bertelsmann hatte 2000 seine Fernsehtochter CLT-Ufa mit Pearson TV zur RTL Group zusammengelegt. Das Werbeaufkommen sank Pearson zufolge im ersten Halbjahr 2002 um 31 Prozent stärker als erwartet und traf die Financial-Times-Gruppe hart. Eine Erholung sei nicht in Sicht, sagte Pearson-Chefin Marjorie Scardino. Gleichwohl konnte Pearson trotz sinkender Umsätze ein Ergebnisplus erzielen. Gemessen an ihren ambitionierten Zielen von früher ist Scardino dennoch bescheiden geworden. Das Schicksal anderer Vorstände dürfte ihr vertraut sein. Henrik Mortsiefer

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