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Wirtschaft: Die meisten Staaten sind auf Maastricht-Kurs

Monetäre Kriterien entscheiden über die EWU-Teilnahme / Griechenland erfüllt Bedingungen nichtVON TIM KÖHLERAls Maß für die Euro-Reife gelten die sogenannten Maastricht-Kriterien.Zur Teilnahme an der Europäischen Währungsunion (EWU) müssen laut Maastrichter Vertrag von 1991 vier Voraussetzungen erfüllt werden: Eine anhaltende Preisstabilität und eine Inflationsrate, die um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate jener höchstens drei Mitgliedsstaaten liegt, die das beste Ergebnis erzielt haben.

Monetäre Kriterien entscheiden über die EWU-Teilnahme / Griechenland erfüllt Bedingungen nichtVON TIM KÖHLERAls Maß für die Euro-Reife gelten die sogenannten Maastricht-Kriterien.Zur Teilnahme an der Europäischen Währungsunion (EWU) müssen laut Maastrichter Vertrag von 1991 vier Voraussetzungen erfüllt werden: Eine anhaltende Preisstabilität und eine Inflationsrate, die um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate jener höchstens drei Mitgliedsstaaten liegt, die das beste Ergebnis erzielt haben.Außer Griechenland erfüllten 1997 alle EWU-Kandidaten diese Kriterium - selbst die einstigen Hochinflationsländer Portugal und Spanien liegen derzeit mit einer Inflationsrate von 1,9 Prozent deutlich unter dem Richtwert von 2,7 Prozent. Das staatliche Defizit in Bezug zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) darf drei Prozent nicht überschreiten.Ferner darf der öffentliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen.Alle elf europäischen Länder, die als Beitrittskandidaten für den Beginn der EWU im Jahr 1999 gelten, haben Ende Februar offiziell verkündet, daß sie das Defizit-Kriterium erfüllen.Einzig Griechenland hat 1997 sowohl das Defizit- als auch das Schuldenkriterium verfehlt.Wie das dortige Statistikamt mitteilte, betrug das Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr 4,0 Prozent des BIP (1996: 7,5 Prozent). Bei dem zweiten Schuldenkriterium sieht es schlechter aus in Europa: Die Schuldenlast betrug in Frankreich 58 Prozent und in Finnland 55,8 Prozent.Italien verfehlte dieses Ziel dagegen deutlich mit einem Schuldenstand von 121,6 Prozent, und auch Deutschland lag 1997 mit 61,3 Prozent über dem vorgegebenen Schwellenwert.Zu hohe Schulden werden jedoch nicht als ein Hindernis für die Teilnahme an der EWU angesehen.Der Maastricht-Vertrag läßt den Beitritt auch dann zu, wenn der Richtwert überschritten wird, aber eine Entwicklung zum Schuldenabbau erkennbar ist.Es wird anerkannt, daß auch Länder mit einem hohen Schuldenstand seit Jahren eine hohe Preisstabilität aufweisen.Acht Monate vor der Einführung der Gemeinschaftswährung am 1.Januar 1999 zeichnet sich bereits heute - über einen Monat vor der entscheidenden Sitzung des EU-Rates am 2./3.Mai in Brüssel - ab, daß die EWU mit elf "euro-reifen" Staaten beginnen kann. Als weiteres EWU-Teilnahmekriterium und "Reife-Zeichen" gilt, daß die Bandbreiten im Wechselkurssystem zwei Jahre lang ohne nennenswerte Schwankungen eingehalten wurden.Dieses Kriterium erfüllten sämtliche europäischen Währungen innerhalb des Europäischen Währungssystems (EWS).Laut Maastricht darf der durchschnittliche langfristige Nominalzins im Verlauf eines Jahres um nicht mehr als zwei Prozentpunkte über dem Satz in jenen höchstens drei Mitgliedsstaaten liegen, die hier das beste Ergebnis erzielten.Das Zinsniveau in Europa hat sich in der Vergangenheit tatsächlich nach und nach angeglichen; alle EU-Staaten - wieder mit Ausnahme Griechenlands - lagen in dem Referenzjahr 1997 in der Nähe des Schwellenwertes von 6,2 Prozent. Die EU-Staaten Großbritannien, Schweden und Dänemark könnten aufgrund der Datenlage ebenfalls am EWU-Start teilnehmen - sie wollen nur nicht.Und sogar das "Sorgenkind" Griechenland hat durch den jüngst beschlossenen EWS-Beitritt die Grundlage für die EWU-Mitgliedschaft zu einem späteren Zeitpunkt gelegt. Das Staatsdefizit in Deutschland belief sich 1997 auf überraschend niedrige 96,5 Mrd.DM oder 2,7 (1996: 3,4) Prozent.Diese für Deutschland überaus günstige Entwicklung beim Kriterium für die Neuverschuldung erklärte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen, bei der Präsentation der Daten am 27.Februar in Wiesbaden unter anderem damit, daß die staatlichen Einnahmen hierzulande relativ stärker als die Ausgaben gestiegen seien.Bei den Einnahmen seien die Sozialbeiträge infolge der Hebung der Beitragssätze in der Rentenversicherung überproportional gestiegen.Auch die indirekten Steuern hätten kräftig zugenommen.Auf der Ausgabenseite werden einerseits hohe Zuwachsraten besonders für Sozialleistungen und Zinsen auf öffentliche Schulden ausgewiesen.Andererseits seien die öffentlichen Investitionen besonders stark gesunken (9,4 Prozent). Der Schuldenstand Deutschlands im vergangenen Jahr lag bei 2233 Mrd.DM oder 61,3 Prozent des BIP.Hier hat sich die Position Deutschlands gegenüber 1996 etwas verschlechtert.Damals waren 60,4 Prozent ausgewiesen worden. Reichen die Maastrichter Kriterien zur Beurteilung der Euro-Reife aus? Kritiker monieren die rein monetäre Ausrichtung.Realwirtschaftliche Größen wie Wachstumsraten des Sozialproduktes, Arbeitslosigkeit und Produktivität beinhalten sie nicht.Damit geben sie ein nur unzureichendes Bild der realen Volkswirtschaften Europas, so die Kritiker.Der niederländische Ökonom Paul de Grauwe gibt beispielsweise zu bedenken, daß in Belgien noch immer ein Lohnidexierungssystem besteht - das heißt der Lohnanstieg ist in Belgien automatisch an den Preisanstieg gekoppelt.Es existiere - so de Grauwe - also ständig eine Inflationsgefahr in Belgien, die dadurch entstehe, daß sich Inflation und Löhne gegenseitig aufschaukeln. Wichtiger als die Einhaltung des Maastrichter Inflations-Kriteriums sei also die Beseitigung des Lohnindexierungssystems in Belgien, so der Euro-Kritiker.Nach seiner Meinung müsse weniger Gewicht auf die Einhaltung der Maastrichter Kriterien gelegt werden, und stattdessen genau geklärt werden, mit welchen Mitteln möglichen inflationären Entwicklungen oder Wachstumseinbrüchen innerhalb der künftigen Währungsunion begegnet werden könne. Die Assoziation für die Europäische Währungsunion (AMEU) in Brüssel kommt in ihrer jüngsten Studie dagegen zu dem Ergebnis, daß bei 14 der 15 EU-Staaten "die Nachhaltigkeit der Konvergenz gesichert ist".Und insgesamt sei es "nicht abwegig, daß noch vor Mitte des nächsten Jahrzehnts alle 15 EU-Mitgliedsländer auch Mitglieder der EWU sein werden".

TIM KÖHLER

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